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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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dessen gewaltige Räder den Schlamm aufwühlten und in beide Richtungen des Weges schleuderten. Widerwillig umspielte ein Lächeln die Mundwinkel des geschwächten Mannes. Mit Bedacht hatte seine Gemahlin es so eingerichtet, daß er im Windschatten des Arztes fuhr. Behutsam fuhren seine Hände den Leib hinab, bis sie die schmerzenden Stellen erreichten. Es war Wahnsinn, in seinem Zustand zu reisen, jedes Schlagloch konnte seinen Tod bedeuten, aber war die Welt nicht ohnehin dem Wahnsinn verfallen? Lauerten nicht seit Monaten an jeder Ecke, um die er bog, Teufel und Dämonen, die nur darauf warteten, ihn zu vernichten. Ein kalter Schauer rann über seinen Rücken. Draußen auf der Gasse brüllten sich die Ritter des Kurfürsten barsche Kommandos zu. Luther hob den Kopf, um aus der kleinen Fensteröffnung zu sehen, und sah den kurfürstlichen Kanzler auf seinem prächtigen Rappen auf das Stadttor zureiten. Irgend etwas schien die Fahrt zu verzögern; das Durcheinander von Landsknechten, Quartiermeistern und Fackelträgern erschwerte jedoch die Sicht auf die näherkommenden Mauern des Elsterviertels.
    Ein plötzlicher Ruck ließ Luther in die Kissen seines Lagers zurücksinken. Ächzend rollte er sich auf die Seite und fürchtete, ein neuer, noch furchtbarer Schmerz könnte sich seiner bemächtigen. Doch der Schmerz blieb aus. Gott sei Dank, dachte er und stützte sich mit dem linken Ellenbogen ab, wie der Medicus es ihm geraten hatte. Aber warum, beim heiligen Benedikt, hielt die Kutsche keine hundert Schritte vor dem Tor an?
    Ein paar Männer öffneten die Schläge ihrer Wagen und streckten die Köpfe in den Regen, um den Grund für den Auflauf an der Mauer zu erfahren. Von Taubenheims Pferd erreichte das von zahlreichen Lampen und Fackeln beschienene Tor zuerst. Dort empfing ihn der Stadthauptmann inmitten einer Schar von Torwächtern, die sich mit einigen Soldaten des Kurfürsten ein erbittertes Wortgefecht lieferten. Die Bewohner der umliegenden Häuser standen trotz des Wetters neugierig vor ihren Türen oder schauten aus den Fenstern der oberen Stockwerke auf die Gasse vor der Mauer. Zum Schutz vor dem Sturmwind hielten sie dicke Wolltücher über ihre Köpfe. Zwei alte Männer deuteten mit verstohlenen Gesten auf die offenen Flügel des Stadttores.
    »Wie könnt Ihr es wagen, unseren Troß aufzuhalten, Hauptmann«, herrschte von Taubenheim den jungen Offizier an, der ihm in den Weg getreten war. »Eure Aufgabe ist es, die Straßen rund um das Elstertor abzusichern, damit der Kurfürst ungehindert passieren kann. Doch was treibt Ihr hier?« Mit einem Satz schwang sich von Taubenheim vom Rücken seines Rappen und maß den Wachoffizier mit einem Blick, aus dem förmlich Funken sprühten. In seinem Rücken wurden Rufe laut. Der Wachoffizier legte seinen Spieß zu Boden und hob beinahe flehend die Hände. Jedermann in der Stadt kannte von Taubenheims Härte gegenüber Soldaten, die ihrer Pflicht nicht gerecht wurden.
    »Herr, bitte glaubt mir, ich … wir hatten keine andere Wahl, als den Troß aufzuhalten. Wie Ihr sagt, bin ich für die Sicherung des Elstertores verantwortlich, bis Seine Durchlaucht die Weggabelung erreicht hat und …« Der junge Mann blickte sich unsicher zu den geöffneten Torflügeln um. »Wir haben eine entsetzliche Entdeckung gemacht … draußen bei der alten Kapelle, wo die Habseligkeiten der Pestkranken verbrannt werden. Bitte folgt mir, Herr. Ich muß es Euch unbedingt zeigen!«
    Der Hauptmann führte von Taubenheim durch das Tor auf die andere Seite der Mauer. »Es ist nicht weit, Herr«, versicherte er, um den Kanzler zu besänftigen. »Wir müssen nur ein Stück diesem Pfad folgen. Er führt zu …«
    »Mir ist bekannt, wohin er führt!« Ohne Umschweife stapfte der Kanzler des Kurfürsten den schmalen Pfad hinunter, der sich durch den Regen der vergangenen Nacht in einen tiefen Morast verwandelt hatte. Von Taubenheim fluchte leise vor sich hin. Er konnte sich noch gut daran erinnern, was vor vielen Jahren an diesem düsteren Ort geschehen war. Als der Nebel lichter wurde, erkannte von Taubenheim vor sich die Umrisse der alten Kreuzkapelle. Mit gerunzelter Stirn suchte er das brachliegende Feld ab. Über seinem Kopf drehten Raben ihre Kreise.
    »Dort ist es damals geschehen«, erklärte der Kanzler unvermittelt. »Wißt Ihr, daß Doktor Luther an diesem Ort einst die Bannbulle des Papstes ins Feuer geschleudert hat. ›Weil du die Wahrheit Gottes verdorben hast, verderbe dich heute

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