Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
Vom Netzwerk:
Katharina Luther vertrat den Herrn des Schwarzen Klosters in einer hochoffiziellen Angelegenheit, und sie tat es mit der ganzen Autorität ihres adeligen Standes.
    »Deine Amme wacht seit Stunden bei Muhme Lene in der kleinen Kammer«, flüsterte Katharina ihr ins Ohr. »Sie fühlt sich sehr schwach, der Herr allein weiß, ob sie die Nacht überleben wird. Du solltest jetzt bei ihr sein. Und nimm Bernardi mit!«
    Philippa nickte beklommen. Auch wenn sie nur zu gerne erfahren hätte, um was es hier ging, schwang doch in Katharinas Stimme ein Ton, dem man sich besser nicht widersetzte. Mit einer Handbewegung wies sie die beiden Wachen am Eingang an, zur Seite zu treten. Doch weder Philippa noch Bernardi gelang es, den Raum unbemerkt zu verlassen. Hatte der Eidgraf es auch bislang vermieden, sich ihr vor den anderen Männern und ihrer Tante zu nähern, lag es auf der Hand, daß er sie nicht so einfach durch die Maschen seines Netzes würde schlüpfen lassen. Seine Züge drückten sowohl Haß als auch Triumph aus, als er den Stadthauptmann auf sie aufmerksam machte.
    »Jungfer von Bora, ich muß Euch und den Magister bitten, den Raum jetzt nicht zu verlassen«, rief ihr der junge Offizier zu. »Nicht, bevor ich meine Befragungen zum Mord an Eurer Dienerin beendet habe!«
    Mit fahrigen Bewegungen bedeutete er dem Ratsherrn Krapp und den übrigen Männern im Raum, um den Schreibtisch einen Kreis zu bilden, ohne von Katharina oder Lupian, der ebenfalls anwesend war, daran gehindert zu werden. Dann ließ er sich von einem seiner Männer ein Bündel aus rot gefärbtem Flachs reichen und breitete dessen Inhalt auf dem Tisch aus.
    Entsetzt wichen die Männer zurück. Mißbilligendes Gemurmel drang durch den Raum. Philippa reckte den Hals und erschrak ebenfalls. Auf dem Schreibtisch ihres Onkels lag, inmitten einiger anderer Gegenstände, eine sauber abgetrennte menschliche Hand.
    »Was soll dieser Unfug bedeuten, Herr?« rief Katharina angewidert. »Ich habe Euch und dem Grafen die Räume meines Gemahls nicht zur Verfügung gestellt, damit Ihr Euren Spott mit uns treiben könnt!«
    »Beruhigt Euch, Frau Katharina!« Henricus Krapp funkelte sie mit selbstgefälliger Miene an. »Es ist nicht ungewöhnlich, des Mordes Verdächtige mit Hilfe von Leibzeichen zu überführen. Wäre Doktor Luther hier, würde er Euch dies bestätigen. Ein abgetrenntes Körperteil des Opfers ist juristisch gesehen ein Corpus delicti, dessen Präsentation vor den Schranken eines Gerichts rechtskräftige Prozesse einleiten kann!«
    Katharina setzte zu einer scharfen Erwiderung an, als Lupian begütigend seine Hand auf ihren Arm legte und Krapp entgegenhielt: »Eure Kenntnisse der Kaiserlichen Halsordnung in allen Ehren, Ratsherr, doch soweit mir bekannt ist, sind wir nicht zu einem Prozeß zusammengekommen. Dies hier ist auch weder ein Gerichtssaal noch eine Amtsstube, sondern das Arbeitszimmer meines Herrn, der sich momentan auf dem Weg nach Schmalkalden befindet. Davon abgesehen, habt Ihr noch niemanden unter Anklage gestellt, weil Ihr nicht einmal die Spur eines Verdächtigen habt. Darum möchte ich Euch bitten, der Herrin des Hauses, in welchem Ihr Gast seid, etwas mehr Respekt entgegenzubringen!«
    Philippa warf dem kahlköpfigen Sekretär ihres Onkels einen erleichterten Blick zu. Wie es aussah, war Lupian in juristischen Dingen bewandert. Außerdem verstand er es, mit seiner ruhigen, ausgeglichenen Stimme, seine Gegner zu verunsichern. Trotz seiner gedrungenen Gestalt und der unsteten kleinen Augen, die niemals auf einen einzigen Punkt allein gerichtet schienen, wirkte er in öffentlichen Versammlungen achtbar und überzeugend. Henricus Krapp hingegen gehörte zu den Menschen, die ihre Macht durch spontane, wenig durchdachte Gesten zu demonstrieren suchten – und daher in der Regel scheiterten.
    »Wie kommt Euer Schreiber eigentlich auf die törichte Idee, es gäbe für die Mordtat keine Verdächtigen, Frau Luther?« ließ sich plötzlich Wolfgers feste Stimme im Raum vernehmen. Mit eisiger Miene und ohne Lupian auch nur anzublicken, trat der Graf auf die Herrin des Hauses zu.
    »Wie mir unlängst zu Ohren gekommen ist, hielten sich gestern während des Unwetters zwei Fremde in der Stadt auf, die sogar die Frechheit besaßen, um eine Audienz beim Kurfürsten zu bitten. Fragt Eure Nichte, wenn Ihr mir nicht glaubt!«
    Philippa spürte, wie sich alle Augen auf sie richteten, und wünschte sich in diesem Augenblick verzweifelt, Valentin hätte

Weitere Kostenlose Bücher