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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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gehalten?
    Katharina brach schließlich das angespannte Schweigen. »Wie ich sehe, habt Ihr Euer Schmuckstück wiedererkannt, Magister Bernardi. Das Medaillon ist selten und gewiß nicht nur mir aufgefallen. Könnt Ihr uns erklären, wieso der Hauptmann Eure Kette bei der toten Maria Lepper gefunden hat?« Die Lutherin schaute Bernardi abwartend an.
    Philippa entging nicht, daß ihre Augen der Strenge ihrer Worte widersprachen. Sie glaubt nicht daran, daß Bernardi die Tat begangen hat, dachte sie erleichtert.
    »Ich trage dieses Medaillon seit frühester Kindheit«, gab Bernardi mürrisch zurück. »Vor einigen Tagen war ich jedoch gezwungen, es abzulegen, um den Verschluß der Kette richten zu lassen. Da ich wegen meiner Arbeit in der Druckerei und der Bibliothek nicht gleich dazu kam, es zum Silberschmied zu tragen, verstaute ich Kette und Medaillon in meinem Kasten. Dies muß jemand beobachtet und die Sachen heimlich entwendet haben. Prüft den Verschluß der Kette, wenn Ihr mir nicht glaubt. Ihr werdet sehen, daß ich sie in diesem Zustand gar nicht hätte anlegen können!«
    »Was beweist das schon?« warf der Stadthauptmann ein. »Der Verschluß kann ebensogut während Eures Kampfes mit der Lepperin Schaden genommen haben, und als es Euch schließlich auffiel, war es zu spät, um den verräterischen Schmuck zurückzuholen.«
    Einige der Männer nickten, andere legten die Stirn in Falten und ließen ihre Blicke von dem blassen dunkelhaarigen Mann an der Tür über den Stadthauptmann zum Eidgrafen von Hoechterstedt wandern. Wolfger hatte die Arme über der Brust verschränkt und verfolgte die Beweisführung des jungen Offiziers mit sichtlichem Vergnügen.
    »Darf ich mir das Medaillon einmal aus der Nähe ansehen?« Der alte Rektor der Wittenberger Universität hatte bis jetzt geschwiegen. Nun aber raffte er seinen voluminösen roten Mantel zusammen und machte einen Schritt auf den Stadthauptmann zu. Mit einer knappen Verbeugung ließ der Wachoffizier ihm die Kette in die offene Hand gleiten.
    Der weißhaarige Mann kniff die Augen zusammen und drehte das Medaillon mehrmals zwischen Daumen und Zeigefinger. Seine Lippen bewegten sich lautlos, als rezitierten sie ein Gebet.
    »Ein ungewöhnliches Stück«, erklärte er schließlich, »aber wenn mich nicht alles täuscht, weist die Gravur des Münzrandes auf den verbannten jüdischen Mystiker Reubeni hin.«
    »Reubeni?« fragte Philippa und sah sich irritiert nach Katharina um. Sie wußte mit dem Namen nichts anzufangen, doch Wolfger gab nur allzu bereitwillig Auskunft. »Wenn ich mich recht entsinne, hielt sich der Kerl für einen Heiligen oder Propheten! Vor ungefähr zwölf Jahren zog er auf einem gescheckten Pferd in Rom ein und machte Papst Clemens weis, er könne ein Heer aufstellen, das die Türken aus dem Abendland und die Sarazenen aus Jerusalem vertreiben würde. Ein Betrüger, dessen unheilvolle Lehre noch heute in so manchen Köpfen nachhallt!«
    »Reubeni wurde von der Inquisition gejagt und schließlich in Regensburg verhaftet«, erklärte der Rektor. »Der Kaiser ließ ihn nach Spanien schaffen und dort an unbekanntem Ort einkerkern. Ich verstehe nicht, warum ein Medaillon mit seinem Namen ausgerechnet heute in Wittenberg auftaucht!«
    »Ich könnte vielleicht darüber Aufschluß geben!« Wolfger baute sich so nah vor Bernardi auf, daß die Knöpfe ihrer Röcke sich berührten. »Der Betrüger Reubeni hatte einen Sohn, der damals unbemerkt aus Regensburg fliehen konnte. Der Knabe gilt seitdem als verschollen, doch Magister Bernardi kann uns bestimmt sagen, was aus ihm wurde, nicht wahr?«
    Bernardi rührte sich nicht von der Stelle. Er wirkte abwesend, als schiene er die Gefahr gar nicht wahrzunehmen, in der er sich befand. Ein paar Momente vergingen, ehe er den Kopf in Katharinas Richtung wandte und sagte: »Es ist wahr, Herrin. Mein Vater hieß David Reubeni.«
    »Aber Bernardi, wie konntet Ihr uns das verheimlichen? Seid Ihr …«
    »Getauft?« fragte der Magister spöttisch. »Keine Sorge. Ich ließ mich bereits vor zehn Jahren taufen, nachdem mir die ersten Schriften von Doktor Luther in die Hände gefallen waren. Hier in Wittenberg versuchte ich, dem Geist der neuen Lehre näherzukommen.«
    »Der neuen Lehre oder den Männern, die sie verkünden?« Der Eidgraf verzog sein Gesicht zu einem Lächeln, das Philippa einen Schauer über den Rücken jagte. Woher hatte er über Bernardi Bescheid gewußt, noch ehe der Stadthauptmann seine Karten auf den

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