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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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vom Fenster zurück. »Sehr schlau, das mit der Tinktur.«
    »Warum? Glaubst du, sie haben das erfunden?«, wunderte sich Matteo.

    »Keine Ahnung. Ist letztlich auch egal. Hilfst du mir mit der Ceres? Die Ährenkrone ist mir zerbrochen.« Ihr Bruder hatte sich eine raffinierte Komposition ausgedacht, die allerdings höchste Ansprüche an den Stukkador stellte.
    Sie sah sich in dem kleinen Salon um, der auf dem Weg zu den Gemächern von Madame d’Étampes lag. Dahinter lag das Zimmer der Geliebten des französischen Königs, in dem Primaticcio die Stuckfiguren paarweise in den Wandecken auf beiden Seiten der Fenster angeordnet hatte. Dort waren die Arbeiten fast abgeschlossen, und Primaticcio hatte bereits ein ovales Fresko fertiggestellt, das Luisa von ihrem Standpunkt aus sehen konnte. Es zeigte Alexander, der das Pferd Bukephalos bändigt. Leuchtende Farben und der Feldherr als Held – so hatte es sich der König gewünscht. Muscheln und Eierstabmuster fanden sich im Rahmen ebenso wie Früchte, zierliche Engel und halbplastische Frauengestalten. Während bei Rosso die Stuckaturen die komplexe Symbolik ergänzten und zur Ikonographie gehörten, setzte Primaticcio lediglich dekorative Akzente. Schön, aber Luisa vermisste den Funken genialer Verknüpfung, der sich in Rossos Werken fand.
    Die Karyatide der Ceres, an der sie arbeitete, befand sich an einer Säule unterhalb der Decke. Das heißt, sie sollte dort ihren Platz finden, aber mit der beschädigten Krone konnte Luisa sie nicht anbringen. Sie kratzte sich an der Kappe, die sie noch immer trug. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass Meister Rossos Diener sie argwöhnisch ansah, aber vielleicht bildete sie sich das nur ein, weil sie in ständiger Furcht vor der Entdeckung ihres Geheimnisses lebte.
    »Üppig«, witzelte Matteo, als er die wohlgeformten Brüste der Karyatide begutachtete. »Die Damen von Meister Primaticcio sind mir sowieso immer etwas zu leblos.«
    »Pst, lass ihn das bloß nicht hören. Schlimm genug, dass
ich gleich bei meiner ersten Arbeit einen Fehler mache. Da braucht er nicht auch noch Kritik zu hören.« Nervös sah sich Luisa nach dem Bologneser um, der jedoch im Nebenraum mit einem Fresko beschäftigt war.
    Matteo grinste und begutachtete die Karyatide, die aus einem nackten Frauenoberkörper bestand, der unter einem kunstvoll drapierten Tuch in eine Säule überging, welche der Wand vorgelegt werden sollte. Die Decke selbst würde mit Holzkassetten versehen werden, ähnlich wie in der Galerie. Der Florentiner nahm die abgebrochene Ährenkrone in die Hand und drehte sie hin und her. »Die Bruchkanten sind glatt. Das kleben wir an.«
    »Aber man wird die Schnittstelle sehen.« »Da oben?« Matteo zeigte auf die Stelle unterhalb der Decke, an der die Karyatide sitzen würde.
    Luisa stemmte die Hände in die Hüften, sah nach oben und danach in den Nebenraum, wo Primaticcio ihr auf seinem Gerüst den Rücken zuwandte. »Das ist richtig, Matteo. Ich dachte nur an den Meister. Wenn er meine Arbeit abnimmt, wird er das beanstanden.«
    Leise sagte Matteo: »Wir stehen alle unter Zeitdruck. Seine Majestät will endlich Ergebnisse sehen. Glaub mir, er wird nichts sagen. Außerdem ist er nicht so ein Perfektionist wie Meister Rosso. Bei dem kämst du damit nicht durch.«
    Sie zog eine Grimasse und nahm eine Schüssel, um Gips anzurühren, mit dem sie die Stuckarbeit flicken wollte. Zuerst gab sie das Wasser in die Schüssel und streute danach den Gips hinein. Bei umgekehrter Reihenfolge gäbe es sofort Klumpen. Sie streute so lange, bis sich kleine, trockene Inseln im Wasser zeigten und das Anmachwasser aufgesogen war. Als sie nun aber mit dem Spachtel umrühren wollte, blieb dieser in der schlagartig erstarrten Masse stecken. Luisa fluchte. »Eh, Matteo!«

    Der Florentiner, der mit dem Säubern von Werkzeugen beschäftigt war, kam zu ihr. »Ja?«
    »Sieh dir das an! Hast du mit diesem Gips schon gearbeitet?«
    »Nein. Der kommt aus einem Sack, der heute geöffnet wurde.«
    »Der ist alt! Falsch gelagert, hat Feuchtigkeit gezogen. Jedenfalls kannst du den wegwerfen.« Sie drückte ihm die Schüssel in die Hand und nahm sich eine andere. »Wo finde ich frischen Gips?«
    Matteo betrachtete den unansehnlichen Klumpen in der Schüssel. »In der Werkstatt. Was hier ausgegeben wurde, stammt alles aus dem neuen Sack. Ärgerlich. Jetzt muss ich mich darum kümmern.«
    Luisa setzte die Schüssel auf eine Kiste, wischte sich die Hände ab und rieb sich die

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