Die Malerin von Fontainebleau
dich und unsere Familie, denn ich habe mich mit Aleyd vermählt. Du weißt, was das bedeutet.
»Ich werde dich allein lassen«, sagte Rosso, doch Luisa griff nach seinem Ärmel.
»Bitte, geh nicht. Außer meinem Bruder bist du der einzige Mensch in diesem fremden Land, dem ich vertraue.« Sie suchte seine Augen und spürte, wie sich seine Anspannung löste.
Sein Blick wurde weicher, und er deutete auf die Bank. »Setzen wir uns.« Nachdem er sich versichert hatte, dass der Mönch sich nicht um sie kümmerte, nahm er Luisas Hand und drückte sie an seine Lippen. »Die Dinge scheinen so kompliziert. Es gibt so vieles, worauf ich Rücksicht nehmen muss.«
»Wenn du nur manchmal für mich da bist, so wie jetzt …« Seine Nähe beruhigte sie ein wenig, und mit einem tiefen Seufzer nahm sie den Brief und las weiter.
Jules und Aleyd sind nach Embrun gegangen, weil sie einen Glaubensbruder befreien wollen. Estève Brun ist nun auch mein Bruder, denn wie du dir denken kannst, habe ich den neuen Glauben angenommen. Ich wollte dich nicht in Gefahr bringen und habe lange mit mir gerungen, doch Aleyds Schwangerschaft ändert alles. Sie braucht mich und ich sie. Verzeih mir, sorellina . Es gibt so vieles, was ich dir sagen möchte, über den Glauben, der mein Herz mit Freude und Hoffnung füllt. Er ist für alle Menschen, und vor Gott sind alle gleich, Prediger, Aristokrat oder Besenbinder. Jeder soll die Heilige Schrift lesen und verstehen können.
In Embrun droht höchste Gefahr! Monsignor Sampieri ist hier und wiegelt die Leute gegen uns auf. Zuerst habe ich in einem Gasthaus genächtigt, das von einem gewissen Arnaud und seiner Frau Aziza geführt wird.
Luisas Augen flogen über das Papier. Sie las über Suzanne und Sidrac, den aus dem Piemont entflohenen Vaudois, und versuchte sich den Weiler im Hochgebirge vorzustellen. Armido war jetzt tatsächlich ein Ketzer! Damit lieferte er sich den Häschern der Inquisition aus. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, was geschehen würde, sobald Guy de Mallêt und Sampieri von Armidos Übertritt zu den Reformisten erfuhren. Und nun war Armido auf dem Weg nach Lyon, um Hilfe bei Marot und den Lavbruchs für die Befreiung Bruns zu erbitten.
»Was ist mit deinem Bruder, Luca? Wo steckt er?«, fragte Rosso, als er ihre besorgte Miene sah.
Wortlos reichte sie ihm den Brief.
»Gott steh ihm bei!«, sagte er schließlich leise und gab ihr das Papier zurück.
»Ich habe solche Angst um ihn.« Sie räusperte sich und wischte sich verstohlen eine Träne von der Wange.
»Dazu hast du auch allen Grund, Luca.« Rosso sah sich um, doch sie waren allein. Nur eine Schaufel lehnte noch dort, wo der Mönch gegraben hatte. »Verbrenne den Brief. Du weißt nichts von dem, was dein Bruder tut. Hörst du?« Eindringlich sah er sie an.
Sie nickte und zerknüllte nervös das Papier in ihren Händen.
»Niemand ist mehr sicher, Luca. Ich weiß nicht, ob du gehört hast, dass man Chabot de Brion den Prozess machen wird. Der Mann ist ein Seigneur, und er hat nichts verbrochen, außer dass er Montmorency und Dianes Partei im Wege steht. Er kämpft um seine Reputation. Entscheidend ist: Der König lässt es zu, dass man einen Seigneur, der ihm treu ergeben ist, anklagt. Auch das Wort von Madame d’Étampes hat in dieser Sache kein Gewicht. Und weil das so ist, bezweifle ich, dass der König den Fürbitten eines Marot überhaupt Gehör schenken wird.« Rosso stand auf. »Gehen wir ein wenig. Dieser kleine Garten ist wie ein Paradies, aber er wird wohl demnächst den Bauplänen von Gilles Le Breton zum Opfer fallen.«
Seite an Seite gingen sie zwischen den sorgfältig gepflegten Kräuterbeeten hindurch. Singvögel jagten Insekten, und auf der Mauer saß eine getigerte Katze blinzelnd in der Sonne, doch das Idyll nahmen die beiden kaum wahr.
»Einmal ist dein Bruder durch meine, vor allem aber durch die Fürsprache Annes ihren Fängen entkommen. Doch der Einfluss der Kirche und ihrer Geißel, der Inquisition, nimmt zu. Der Papst kommt nach Nizza, um mit König und Kaiser zu verhandeln. Franz wird seine Außenseiterposition nicht länger halten können. Seit einiger Zeit gibt es wohl auch böses Blut wegen eines geheimen Vertrags von Frankreich mit Suleiman dem Prächtigen. Unser lieber Franz wird sich also hüten, den Papst weiter vor den Kopf zu stoßen, indem
er den Protestanten in Frankreich Vorschub leistet.« Rosso blieb stehen, um einen Rosmarinzweig abzubrechen und daran zu riechen. »Bald ist
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