Die Malerin von Fontainebleau
verderben.
XXVII
Kybele
Zornvoll wandten die Bilder den Blick;
und die Mutter im Turmkranz
Sann, ob in stygische Flut sie hinab
die Frevelnden tauche.
Aber die Straf’ ist zu leicht:
Und den Hals, der eben noch glatt war,
hüllet die gelbliche Mähn’.
Ovid, Metamorphosen, X. Buch
U nd ich sage euch, er hatte nicht die Pest! Glaubt mir doch! Ich kannte ihn!«, rief Didier. Die Menschen auf dem Hof von Fontainebleau schrien dennoch wild durcheinander. Sie waren noch immer aufgewühlt von der Hinrichtung vor wenigen Tagen und der Hiobsbotschaft, die ein unbedachter Schaulustiger ausgerufen hatte.
Luisa stand am Fenster des königlichen Salons und beobachtete mit Besorgnis die aufgebrachte Menge: Bauern, Hilfsarbeiter, Wasserträger, Küchenjungen und -mädchen und alle, die niedere Arbeiten im Schloss verrichteten und ins Dorf gegangen waren, um Albins Kopf fallen zu sehen.
»Was krakeelen diese Idioten denn noch da unten? Der Hingerichtete hatte nicht die Pest.« Matteo stand mit gipsverschmierten Händen neben ihr. »Wenn er krank gewesen
wäre, müsste die halbe Belegschaft des Schlosses bereits krepiert sein. Ich habe gesehen, was die Pest anrichtet. Ganze Dörfer oberhalb von Florenz sind innerhalb weniger Wochen ausgestorben.«
»Sie wissen es nicht besser, Matteo. Ah, da kommt der bailli .« Sie zeigte mit dem Finger auf den fetten Landvogt, der auf einem Braunen in den Hof ritt.
Gefolgt wurde der Landvogt von einem Dutzend Soldaten, die im Gleichschritt aufmarschierten und die Menge zur geschlossenen Hofseite drängten. Allein das Auftreten der grimmig blickenden Soldaten beruhigte die Leute. Luisa sah, wie Grivel aus dem Schloss kam, zum bailli ging, um rasch einige Worte mit ihm zu wechseln, und ihm etwas in die Hand drückte. Dann hob der Landvogt die Hand und brachte auch die letzten Schreihälse zum Verstummen. »Ich weiß nicht, welcher Unselige das fürchterliche Wort ausgesprochen hat.« Ein drohender Blick glitt über die einfältigen, trotzigen oder verschlagenen Gesichter. »Der Henker hat den Verurteilten vorher angesehen, und da hatte er nicht die Pest. Was ihr gesehen habt, war die Krätze, nichts weiter!«
»Ich hab selbst die Krätze, willst du sehen?«, rief ein glatzköpfiger Mann aus der Mitte. »Aber schwarze Flecke habe ich nicht!«
»Ja, wir wissen, was wir gesehen haben!«, schrie eine Küchenmagd, die Luisa an ihrer Schürze erkannte. Die Magd war nicht als Einzige zu den Mönchen ins Aderlasshaus gerannt und hatte ihr Blut gegeben, weil das angeblich vor der Pest schützen sollte. Außerdem sollten das Riechen an Böcken und der Gestank toter Hunde sowie obskure Salben aus gedörrten Kröten und Spinnen vor der Seuche bewahren. Luisa allerdings hielt mehr davon, sich Hände, Nase und Ohren mit Weinessig einzureiben. Letztlich jedoch war kein Mensch vor der Pest gefeit.
Erneut erhob sich Gemurmel, das jedoch abschwoll, als der bailli brüllte: »Ruhe! Ich lasse euch alle verhaften und in den Kerker werfen, wenn ihr nicht sofort wieder an eure Arbeit geht! Der Verurteilte hat sich die Haut mit einer schwarzen Tinktur eingerieben.« Er riss die Hand in die Höhe, in der eine kleine Flasche zu sehen war. »Das hier ist das Mittel, ihr Dummköpfe. Euer Kammerherr hat es mir eben gezeigt. Monsieur Grivel, kommt her.«
Grivel trat vor und stellte sich neben das Pferd des bailli . Er schien sich in seiner Rolle nicht wohl zu fühlen, zeigte jedoch eine entschlossene Miene. »Jawohl. Hört endlich auf, euch zu benehmen wie dummes Vieh. Viele von euch kannten Albin und wussten, dass er die Krätze hatte. Wir haben seine Sachen durchsucht und die Medizin gefunden, die er benutzt hat.«
»Und warum ist der feine Herr dann so schnell nach der Hinrichtung davongelaufen? Der sah aus, als wäre der Teufel hinter seiner Seele her!«, rief die Küchenmagd trotzig.
»Monsieur de Mallêt ist nicht geflohen, sondern in seiner Tätigkeit als Sekretär Seiner Exzellenz, Kardinal Tournon, in wichtigen Angelegenheiten abberufen worden. Deshalb hat er sich sofort nach der Exekution entfernt. So, und jetzt macht euch alle wieder an die Arbeit. Jeden, den ich innerhalb der nächsten halben Stunde nicht an seinem Platz finde, werde ich persönlich auspeitschen!« Wütend starte Grivel die Leute an, die ihm nun endlich Glauben zu schenken schienen. Zumindest kannten sie die schmerzhafte Wirkung seiner Bestrafungen. Es dauerte nicht lange, und der Platz hatte sich geleert.
Luisa trat
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