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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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schönes Antlitz schien emotionslos, doch seine Augen blitzten, und seine Kiefermuskeln zuckten.

    Zwei Tage waren seit Rossos Ankunft vergangen, und Luisa wartete sehnsüchtig darauf, mit ihm allein sein zu können. Sie vermisste seine Nähe, und es gab so viele Fragen, die sie ihm stellen wollte. Er war der Einzige, mit dem sie offen über ihre Sorgen, Ängste und Zweifel sprechen konnte, und manches Mal fühlte sie sich schmerzhaft einsam. Sich dauernd verstellen zu müssen zehrte an ihren Kräften, nur in seinen Armen durfte sie für kostbare Augenblicke sein, wer sie war. Außerdem konnte sie es kaum erwarten, Neuigkeiten vom Hof des Königs zu hören. Es kursierten die verschiedensten Gerüchte über den Dauphin, der einen Pagen getötet haben sollte, über eine Intrige, die Seigneur Chabot de Brion stürzen sollte, und über neue Verfolgungen der Protestanten. Rosso machte sich jedoch rar, zwar kontrollierte er die Arbeiten, die in seiner Abwesenheit ausgeführt worden waren, zeigte sich aber kaum in der Galerie oder den königlichen Gemächern. Vielmehr beließ er es bei den von Primaticcio vorgenommenen Einteilungen und zog sich in seine Gemächer zurück.
    Nur einmal hatte Rosso direkt mit ihr gesprochen, um ihr zu sagen, dass sie bei der Ausführung der Kybele freie Hand habe. Das wiederum hatte Meister Primaticcio verärgert, der seine Komposition gefährdet sah. Von den Launen des jähzornigen Bolognesers unbeeindruckt, stand Luisa in der Werkstatt und grübelte über der Herstellung der Gussform für die Kybele. Die Figurengruppe würde nur durch eine mehrteilige Form zu bewältigen sein, und sie zeichnete die spiegelverkehrte Version des gewünschten Abdrucks.
    Es war ein warmer Tag, und die Handwerker hatten die Tore der Werkstatt weit geöffnet, um die milde Frühlingsluft hereinzulassen. Drei weitere Stukkadore waren mit dem Gießen von Blattstäben und Rosetten beschäftigt. Der Römer und die zwei Bologneser waren raue Gesellen, die Luisa klar
zu verstehen gegeben hatten, was sie von Armidos Abwesenheit hielten. Dass sie von Meister Rosso bevorzugt behandelt wurde, trug ebenfalls nicht zu ihrer Beliebtheit bei. Da sie jedoch besser zeichnete als die Männer und ihr niemand etwas vormachen konnte, wenn es um Gussformen und Schablonen ging, zollten ihr die Männer zumindest Respekt.
    »Da kommt Meister Rosso«, sagte der Römer, und alle hoben erwartungsvoll die Köpfe.
    Rosso Fiorentino kam mit einer großen Papierrolle unter dem Arm in die Werkstatt. Die Strapazen der Reise waren ihm nicht mehr anzusehen. Ganz im Gegenteil, er sprühte vor Energie und Begeisterung für seine Arbeit. »Wie kommt ihr voran?«
    Die Männer zeigten auf die bereits trockenen Blatt- und Fruchtstäbe, die auf langen Tischen auslagen. In einer Kiste darunter lagen Bruchstücke und abgeschlagene Kanten. »Seht selbst«, sagte der Römer nicht ohne Stolz.
    »Gute Arbeit«, lobte Rosso anerkennend und wandte sich an Luisa. »Ich habe mit Euch zu reden, Luca. Folgt mir, bitte.«
    Erstaunt ließ Luisa die Kreide fallen und wischte sich die Hände im Gehen an ihrem Wams ab, denn Rosso war schon wieder draußen und ging über den Hof auf die Abtei zu. Durch eine kleine Pforte gelangte man in den Kräutergarten der Mönche, der von einer niedrigen Mauer umgeben war. Der Garten gehörte zu den letzten ursprünglichen Bestandteilen der Mathuriner-Abtei, die bald dem sich stetig ausweitenden Schlosskomplex würde weichen müssen. Der Duft von Rosmarin, Dill und Petersilie stieg von den geradlinig angelegten Beeten auf. Dazwischen lagen unregelmäßige Rasenflächen mit verstreuten kleinen blauen Blumen.
    »Wilde Veilchen«, sagte Rosso und blieb neben einer eisernen Bank unter einer alten Trauerweide stehen. Außer ihnen war nur am Ende des Gartens ein alter Mönch zu sehen, der
ein Beet umgrub. »Hier.« Rosso zog einen versiegelten Brief aus seinem Wams und reichte ihn Luisa.
    Erwartungsvoll nahm sie das Schreiben entgegen. Sie erkannte die Handschrift sofort. »Von Armido!«
    »Er hatte den Brief in einem Extrakuvert an mich adressiert. Ich nehme an, dass sein Inhalt erklären wird, warum er sich solche Mühe macht.« Seine Stimme war kühl und unbeteiligt.
    Mit bebenden Fingern erbrach sie das Siegel und entfaltete das grobe, mit Flecken übersäte Papier. Die Schriftzüge waren unregelmäßig und in Eile gesetzt.
    Sorellina, es ist viel geschehen, seitdem ich Fontainebleau verlassen habe. Ich muss dich um Verzeihung bitten,

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