Die Malerin von Fontainebleau
auffallen.«
»Nein, das ist dein Weg, nicht meiner.« Er sog die Luft zwischen zusammengebissenen Zähnen ein. »Teufel noch eins, sind das Schmerzen. Wer wird schneiden, du etwa?« Jules brachte ein Grinsen zustande.
Armido hielt die Hände hoch. »Das sind die begnadeten Hände eines Künstlers. Sie haben Frauenkörper von berückender Schönheit aus Gips geformt.«
»Gib mir was zu trinken!« Jules trank mehrere Schlucke vom scharfgebrannten Obstschnaps und ließ den Kopf zurücksinken.
Es dauert nicht lange, und Suzanne kehrte mit einem Korb voller Tiegel, getrockneter Kräuter und chirurgischer Instrumente wieder. »Das konnte ich auf die Schnelle sammeln. Es sieht so furchtbar dort aus …« Sie schluckte und setzte den Korb auf einem Tisch ab.
»Hast du dieses Mittel?«
Suzanne nahm einen handtellergroßen Schwamm und eine verkorkte Phiole aus dem Korb. Des Weiteren legte sie chirurgische Messer, Zangen und eine Säge auf den Tisch. Es folgten eine Nadel und eine kleine Spule. »Tiersehne«, erklärte Suzanne. »Sidrac schwört darauf. Andere nehmen Haare oder Hanf. Schau hier.«
Sie nahm einen Tiegel aus dem Korb und löste das Band,
welches das Pergament hielt. Ein scharfer, doch auf würzige Art angenehmer Geruch entströmte dem kleinen Gefäß. »Isabeau sammelt die Kräuter, die Sidrac für diese Salbe braucht. Manche halten sie für seltsam, aber sie ist eine sehr kluge Frau und kennt jede Pflanze und ihre Wirkung. Alle Frauen in ihrer Familie waren Kräutersammlerinnen. Ihre Urgroßmutter war eine Heilerin und starb auf dem Scheiterhaufen in Avignon. Danach haben die Frauen sich zurückgezogen. Für Sidrac war sie ein Glücksfall.«
Als Suzanne schwieg und traurig den Salbentiegel abstellte, fragte Armido: »Aber sie leben, nicht wahr? Sie haben sie mit nach Embrun genommen?«
»Sie leben. Ja.« Sie vermied es, ihn anzusehen, und schien fast erleichtert, als Dufy mit seiner Lampe hereinkam. »Licht«, sagte sie. »Wir brauchen so viel Licht wie nur möglich.«
Es dauerte nicht lange, und sie hatten aus den anderen Häusern Kerzen und Lampen zusammengetragen und im Raum verteilt. Marie kümmerte sich um das Essen, und Armido und Dufy holten zwei Eimer Wasser aus der Quelle hinter den Bäumen. Als sie wieder in den hell erleuchteten Wohnraum traten, lag Jules mit geschlossenen Augen auf seinem Lager und atmete gleichmäßig. Auf Mund und Nase hatte Suzanne den Schwamm gelegt, den sie immer wieder mit der Tinktur aus der Phiole beträufelte. Sie hatte Jules’ blutiges Hemd aufgeschnitten und den Oberkörper gewaschen. Auch die Hose hatte sie aufgetrennt und die Stichwunde gereinigt.
Über eine Stuhllehne hatte sie saubere Tuchstreifen gehängt, daneben lag ein Stapel von Unterröcken und Bettlaken. »Er wird viel Blut verlieren, aber ich werde, so schnell ich kann, arbeiten. So, wer von euch wird sägen?«
Armido erbleichte, doch Dufy war unbeeindruckt. »Ich
bin Jäger und an das Zerlegen von Tierkörpern gewöhnt. Sag mir, wie wir es machen.«
Jules’ Arm lag auf einem mehrfach gefalteten Tuch, das bereits rot gefärbt war. Die lange Wunde hatte durch das Säubern wieder zu bluten begonnen. Suzanne band den Arm oberhalb der Wunde ab und stoppte die Blutung. Dann zeigte sie auf eine Stelle unterhalb des Ellbogens. »Dort. Zuerst muss ich die Adern veröden. Armido, dafür brauche ich einen Dolch, der im Feuer erhitzt wird.«
Gehorsam legte Armido die Klinge seines Dolches in die Glut.
»Martin, die Hautlappen, die gleich über den Knochen herausragen, müssen stehen bleiben, damit ich sie zusammennähen kann.« Suzannes Hände zitterten, als sie nach einem der scharfen chirurgischen Messer griff.
»Ich werde ihn halten, falls er erwacht«, sagte Armido.
Dufy nahm die ellenlange Säge zur Hand und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Gut denn.«
Beherzt legte Suzanne mit wenigen Schnitten den Unterarmknochen frei und zeigte Dufy, wo er den Knochen durchsägen sollte. Das Geräusch, das dann erklang, würde Armido nie vergessen, doch er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, weil Jules’ Beine zuckten und er mit dem gesunden Arm um sich schlagen wollte. Suzanne tropfte mehr Alraunenessenz auf den Schwamm und drückte ihn fest auf Jules’ Gesicht, bevor sie den Dolch aus der Glut zog und damit die heraushängenden Adern und Fleischränder verödete.
Sie bekreuzigte sich. »Gott steh mir bei! Ich kann nur hoffen, dass ich das Richtige tue …«
»Rufus!«,
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