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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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mir erzählt, dass Michelangelo die fünf Sibyllen an die Decke der Sixtinischen Kapelle im Vatikan gemalt hat.« Sie spürte, wie Rosso die Hand fortzog.
    »Michelangelo ist ein Besessener, immer auf der Suche nach Perfektion, ein Genie. Er hat den David geschaffen! Dann die Sixtinische Kapelle, Grabmäler, und er ist Architekt!« Rosso hatte sich aufgesetzt und beugte sich zu ihr, um ihr ins Ohr zu flüstern: »Wenn ich an Gott glaube, dann, weil es Männer wie Michelangelo gibt, aber behalte das für dich, sonst ende ich auf dem Scheiterhaufen.« Er lachte, stand auf und zog sie mit sich hoch.
    »Ich finde, dass dein Entwurf für das Gemälde großartig ist, und ich sage das nicht, um dir zu schmeicheln.«
    »Nein, du bist ehrlich. Das schätze ich an dir.« Er strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn und betrachtete sie verträumt. »Was für ein herrlicher Tag!«
    Gemeinsame Stunden mit Rosso waren selten, und Luisa verwahrte jede Minute im Herzen, wusste sie doch, dass selbst, wenn er mit ihr zusammen war, seine Gedanken meist schon um ein neues Projekt kreisten. Doch sie hatte sich damit abgefunden, seine Muse zu sein. Sie legte den Kopf an seine Brust. »Die Galerie, Giovanni, die Galerie zeugt von deinem Genius.« In Momenten der Zweisamkeit nannte sie ihn bei seinem Geburtsnamen, ein Privileg, das er ihr gestattet hatte.
    Seufzend warf er den Kopf in den Nacken und atmete tief ein. »Die Pflicht ruft. Aber wir hatten uns etwas Müßiggang verdient, und die Gelegenheit war günstig.« Er grinste. »Pellegrino ist launischer als ein Weibsbild, die Ablenkungen in Paris tun ihm gut.«
    Sie hoben ihre Umhänge auf und gingen zu den Pferden,
die zwischen den Bäumen grasten. Der Winter war lang gewesen und hatte Menschen und Tiere mit Nässe und Kälte geprüft, doch der Frühling zeigte Frankreich von seiner schönsten Seite. Die ausgedehnten Wälder um das Schloss waren prächtig, reich an Wild und landschaftlicher Schönheit. Luisa ließ ihr Pferd neben Rosso in Trab fallen und sog die vorübergleitenden Szenerien in sich auf. Zartes Grün auf bemoosten Felsen, Wiesen, Bäche und Laubwald aus Birken, Eschen, Eichen und Weiden, Haselnusssträucher, Wildbeeren und immer wieder Fichten, Tannen und Kiefern.
    Im Schritt ritten sie die Allee zum Schloss entlang. Wie sie Rosso kannte, würde er die Arbeit in der Galerie sofort wieder aufnehmen wollen, denn er war mit dem Entwurf für Franz’ Gemälde zufrieden. Sie überlegte, welches Fresko das nächste war, das Rosso malen würde, als ein Bote, kenntlich an seiner grauen Livree, mit einem Brief auf sie zugelaufen kam.
    »Meister Rosso! Meister Rosso!«, rief der Bursche schwitzend und außer Atem den Brief schwenkend.
    »Warum so eilig?«, fragte Rosso, nachdem er sein Pferd zum Stehen gebracht hatte. Das temperamentvolle Tier schnaubte und scharrte mit den Hufen. Der Künstler kramte eine Münze aus seinem Gürtel und warf sie dem Burschen zu. Im Gegenzug erhielt er den Brief.
    Der Bote verbeugte sich. »Er wurde von einem Eilkurier gebracht, Monsieur. Ich habe Euch überall gesucht, bis man mir sagte, dass Ihr zu Pferd unterwegs seid.«
    Rosso nickte und entließ den Mann. Erst dann erbrach er das Siegel und entfaltete den Bogen, in dem sich ein weiteres versiegeltes Schreiben befand, das er in der Hand behielt, während er die wenigen Zeilen auf seinem Bogen überflog. »Keine guten Nachrichten, fürchte ich, und ich habe nur die kurze Fassung.« Dann erst reichte er Luisa den versiegelten
Umschlag. »Von deinem Bruder, doch lies es in Ruhe. Nicht hier vor allen Leuten.«
    Beunruhigt nahm Luisa den Brief entgegen, konnte ihre Neugier jedoch nicht bezwingen und brach das Siegel auf. Rasch überflog sie die Zeilen, stopfte den Brief aber rasch in ihren Gürtel, als sie Rossos finstere Miene sah.
    Die Bauarbeiten am Südflügel waren in vollem Gang, und widerwärtiger Gestank zeigte an, dass man dabei war, die Abtritte zu säubern. Vor den Küchen saßen Mägde in der Sonne und schnitten Gemüse, Knechte halfen den Bauern beim Entladen der Ochsenkarren. Das erste Wintergemüse war geerntet worden und würde den Speiseplan endlich frischer und nahrhafter gestalten.
    Die Stallungen lagen vor ihnen. »Hat Armido dir auch von dem Überfall und den Entführungen berichtet?«, fragte Luisa, doch Rosso winkte ab.
    »Nicht hier.« Er stieg vom Pferd, reichte einem Stallknecht die Zügel und klopfte sich Staub und Pferdehaare von seinen Hosen. Nicht weit vom Stall

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