Die Malerin von Fontainebleau
entfernt befand sich eine Tränke, an der ein Hund seinen Durst stillte. Rosso scheuchte den Hofhund fort und spritzte sich Wasser ins Gesicht.
Luisa tat es ihm nach, denn nach einem Ritt war man jedes Mal paniert mit Sand und Staub. Schließlich machten sie sich auf den Weg zur Galerie. Vor den Stufen zum Galerieeingang winkte Rosso einer der Mägde, die vor der Küche saßen. »Lass uns Bier bringen und von dem Dinkelbrot, wenn es frisch ist. Aber nicht das schlechte Dünnbier!«
Die Magd errötete, legte ihr Messer beiseite und stand auf. »Ja, Monsieur.«
Luisa hatte mittlerweile gelernt, dass gutes Bier hier besser schmeckte als schlechter Wein, der ihnen oft aufgetischt wurde. Und in der Wärme löschte das von den Mönchen gebraute Bier den Durst auf angenehme Weise. Immer wieder
fasste sie nach Armidos Brief, wurde aber von Rossos Kopfschütteln davon abgehalten, ihn hervorzuholen.
In der Galerie wurden sie von Matteo erwartet, der eine Tagwerkfläche für das Fresko mit einem riesigen Elefanten verputzt hatte. Außer Matteo befanden sich Scibec, drei seiner Mitarbeiter und zwei Burschen, die den Boden fegten, in der Galerie. Die Hinrichtung Albins hatte Spuren hinterlassen. Vor allem für die unteren Dienstboten waren die Zeiten härter geworden, denn sie wurden von jedem argwöhnisch beobachtet und schienen auch einander kaum zu trauen. Niemand wollte als Dieb verdächtigt oder gar verurteilt werden. Rosso hatte sich von Grivel zwei junge Burschen aus Paris aussuchen lassen, denen er Reinigungsaufgaben in der Galerie auftrug.
»Meister Rosso, Ihr seid zur rechten Zeit zurück. Der Putz hat exakt den richtigen Feuchtigkeitsgrad«, empfing Matteo den Maler stolz.
Rosso stieg auf das Gerüst und prüfte Matteos Aussage, indem er die Oberfläche des Mörtels leicht eindrückte. »Perfekt!«
Ohne weiter auf Luisa zu achten, ließ er sein Wams auf die Bretter des Gerüsts fallen, warf sich seinen Kittel über, den Matteo bereitgelegt hatte, und griff nach der Pause mit der Teilzeichnung für diesen Ausschnitt.
»Meister!«, rief Luisa zaghaft.
»Nicht jetzt! Ich habe Arbeit zu tun und Ihr auch!«, kam es barsch von oben.
Enttäuscht wandte Luisa sich ab. Für die Zeit, die er für das Fresko brauchte, würde er nicht ansprechbar sein. Und sie konnte ihm nicht verdenken, dass er sich nicht dauernd mit den Angelegenheiten ihres Bruders abgeben wollte. O Armido! Sie legte eine Hand auf den Brief in ihrem Gürtel und sah eine Weile zu, wie Rosso die Vorzeichnung mit
schnellen sicheren Bewegungen eingravierte. Der Elefant war eines ihrer Lieblingsmotive.
Der Éléphant fleurdelysé , wie er im Französischen hieß, sollte das Fresko in seinem antiken Ambiente dominieren. Wie die übrigen Fresken entstand der Elefant in einem bereits fertigen Stuckrahmen, flankiert von zwei vertikalen Fresken, die noch zu malen waren. Luisa hoffte, eine der beiden vergleichsweise großen weiblichen Figuren malen zu dürfen. Zu sehen waren die Stuckarbeiten: der bekrönte Salamander nebst geflügelten Jünglingen, die auf den Ecken des Rahmens lagerten und durch ihre Gestik die Verbindung zu den benachbarten Bildern und Figuren schufen.
Matteo gesellte sich zu ihr. »Der Elefant war das Emblem Julius Cäsars.«
»Ich weiß gar nicht, wo ich beginnen soll, wenn ich an das Bild denke, das er jetzt malt. Zum einen steht der Elefant für Weisheit und Klugheit, dann der Bezug zu Cäsar und ein Storch, der die Güte des Königs verkörpern soll. Alles versinnbildlicht Franz und die Monarchie, und der Elefant symbolisiert die Ewigkeit.«
»Und auf dem Elefanten die lilienübersäte Decke mit dem bekrönten F, und dort, wo Meister Rosso jetzt beginnt«, er deutete auf die linke untere Ecke, »dort werden drei antikisch gewandete Jünglinge stehen, Franz’ Söhne«, sagte Matteo.
Ergänzend fügte Luisa hinzu: »Die wiederum den Fortbestand der Monarchie symbolisieren. Und das knüpft an die Motive des Achilles- und des Jungbrunnenfreskos an, deren Thema die Prinzenerziehung ist. Hier wird Franz vom Elefanten verkörpert. Und im Relief darunter sieht man Alexander den Großen, wie er den gordischen Knoten zerschlägt. Ein schönes Rätsel für den geneigten Betrachter.«
»Aber nur für einen, der sich gut in der Antike auskennt«, meinte Matteo.
»Wo wäre sonst der Reiz?«
Matteo schnaubte verächtlich. »Zu viel geziertes Getue ist nichts für mich. Eine perfekt geglättete Putzfläche hat auch etwas für sich.«
Sie
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