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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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zusammengezimmert. Eine Schicht aus Lehm und Stroh hielt den Wind aus den Ritzen fern. Die stark bemoosten Dächer bedurften der Ausbesserung, einem starken Regenguss würden sie kaum standhalten. Doch in ihrer jetzigen Situation konnten die Verfolgten keine Ansprüche stellen und mussten vielmehr dankbar sein für Pierres Großmut. Ohne zu zögern, hatte der Köhler sein Lager geräumt und war in einen Verschlag bei seinem Meiler gezogen.
    Suzannes Söhne saßen vor dem Haus und steckten die Köpfe zusammen. Ihnen fiel die Untätigkeit, während ihr Vater im Gefängnis saß, besonders schwer, und Suzanne hatte Mühe, die Jungen davon zu überzeugen, dass von Glaubensbrüdern keine Hilfe zu erwarten war. Der Älteste sah auf. »Armido, gibt es Nachricht aus Embrun?«
    »Nein. Tut mir leid, Éric. Wie geht es deinem Onkel?«
    Aus der Hütte hinter ihnen ertönte Kindergeschrei. Marie hatte alle Hände voll mit der Versorgung der Kleinen zu tun.

    Éric machte eine vage Handbewegung. »Wir sind keine bösen Menschen und haben nichts Unrechtes getan. Warum behandeln sie uns wie Verbrecher?« Aus den blauen Kinderaugen sprachen Trauer und Unverständnis.
    »Dein Vater könnte dir das sicher mit einem Bibelzitat erklären. Es ist das Schicksal der von Gott Geliebten, Schlimmes zu erleiden, bevor sie ins Himmelreich gelangen.« Armido war sich bewusst, dass er Sidracs Platz nicht einnehmen konnte, doch er versuchte, so gut er vermochte, der kleinen Flüchtlingsgemeinde Trost zu spenden. »Unsere Zeit wird kommen, Éric, davon bin ich überzeugt.«
    »Wenn wir bis dahin nicht alle tot sind …«, sagte der Junge trotzig, und Armido konnte ihm nicht widersprechen.
    Suzanne öffnete die Tür der zweiten Hütte und kam mit einer Schale voll blutigen Wassers heraus. Sie entleerte die Schale hinter dem Stall, in dem sich die wenigen Hühner, drei Ziegen und ein Schwein befanden, die sie aus dem Weiler hatten retten können. Sie winkte Armido zu sich, außer Hörweite der Jungen. »Jules’ Stumpf schwärt. Das Fleisch will nicht heilen, und Materie tritt aus. Ich tue, was in meiner Macht steht, aber …« Hilflos schüttelte sie den Kopf.
    »Er darf nicht sterben!« Armido packte sie an den Schultern. »Hörst du, Suzanne? Was kann man noch tun? Ich helfe dir! Sollen wir ihn zur Ader lassen?«
    »O nein! Das würde ihn nur noch mehr schwächen. Armido, ich bin kein Arzt. Wenn doch nur Sidrac hier wäre. Er wüsste, was zu tun ist! Der beschwerliche Weg über den Berg hierher hat Jules viel Kraft gekostet.«
    »Hat er noch immer Fieber?«
    »Ja. Vielleicht etwas weniger als gestern.« Sie lächelte schwach. »Hast du mit den Jungen gesprochen? Éric nimmt es sehr schwer.«

    Der älteste der Bayles saß mit gerunzelter Stirn bei seinen Brüdern.
    »Nachdem ich bei Jules war, nehme ich sie mit zum Meiler. Das wird sie ablenken.«
    Suzanne nickte dankbar, und Armido ging zur Hütte, die er sich mit Jules und den Jungen teilte. Er zog die niedrige Tür auf, und Sonnenlicht erhellte den kleinen Raum, in dem Jules auf dem einzigen Bett, einem einfachen Holzgestell, lag. Die anderen schliefen auf Reisighaufen.
    »Lass die Tür auf, Armido.« Jules’ Stimme klang brüchig.
    Armido zog sich einen Schemel heran und hockte sich zu seinem Freund, dessen Armstumpf frisch verbunden auf seiner Brust lag. »Martin Dufy wollte heute noch vorbeikommen. Vielleicht bringt er Neuigkeiten aus Embrun. Wir werden sie befreien, Jules. So viel Ungerechtigkeit kann der Herr nicht zulassen!«
    Auf Jules’ Stirn standen Schweißperlen, und seine Wangen waren gerötet, doch die ungesunde helle Zirkelung um seinen Mund war verschwunden. Armido wertete das als gutes Zeichen. Jules tastete mit der gesunden Hand nach seinem verbundenen Arm und zuckte zusammen. Mit zusammengepressten Zähnen sagte er: »Der Herr verlangt viel von uns, aber ich zweifle nicht an unserem Glauben. Selbst jetzt nicht.« Plötzlich riss er die Augen auf, und der alte Kampfgeist flammte in ihm auf. »Wenn ich jetzt zweifelte, wäre alles umsonst, Armido! Wir geben nicht auf, niemals! Sie können mich foltern, mir die Eingeweide herausreißen, aber deshalb schwöre ich keinen falschen Eid, glaube ich nicht an ihren liederlichen Papst und …« Er rang nach Luft und hustete.
    Armido nahm ein Tuch aus dem Korb neben Jules’ Lager und tupfte dem Verletzten die Stirn ab. »Ruhig, Jules. Du musst dich schonen. Ich habe meiner Schwester geschrieben.«

    »Was kann sie schon tun? Nein, Marot

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