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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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verfolgt hatten, wurde die mordlüsterne Menge im Zaum gehalten.
    Immer wieder warf Luisa ängstliche Blicke zu Armido, der in der Mitte seiner Leidensgenossen stand und ihnen die Hände auf die Schultern gelegt hatte. Der Mann neben ihrem Bruder saß aufgerichtet und mit stolzem Blick auf der Bank, während die junge Frau mit flammend rotem Haar ausdruckslos ins Leere starrte. Sie schien schwere Verletzungen durch die Folter erlitten zu haben und war kaum mehr als ein Schatten.
    Warum konnte sie nicht alle retten? Aber sie durfte nicht undankbar sein. Der König hatte mehr getan, als unter den Umständen zu erwarten gewesen war. Luisa faltete die Hände. Und Katharina de Medici war ihr Engel! Gott schenke dieser gütigen Frau ein langes Leben, betete sie. Hoffentlich
würde sie der Erzbischof nun endlich gehen lassen. In dem Moment hob er eine Hand, und es ertönte ein Trommelwirbel. Sampieri zog sich würdevoll auf seinen Platz unter dem Baldachin zurück.
    Eine spannungsgeladene Stille legte sich über den Platz um die Kathedrale von Embrun. In den Mienen der Schaulustigen, die gekommen waren, um Menschen sterben zu sehen, machte sich Erwartung auf den ersehnten Schrecken breit. Das Schauspiel von königlicher Gnade war ein unterhaltsames Intermezzo gewesen, doch der Volkszorn verlangte sichtbare Strafe, den grausamen Arm Gottes auf Erden.
    Die Trommelwirbel schwollen an, und je vier Soldaten marschierten auf die Bühne und packten zuerst Isabeau und dann Sidrac. Armido weinte und rang verzweifelt die Hände. Luisa konnte nicht hören, was der Prediger sagte, doch es sah so aus, als machte er Armido Mut, obwohl er es war, der auf den Scheiterhaufen geführt wurde. Die Soldaten schleppten beide zu den Pfählen, wo bereits die Henker warteten. Luisa hatte gehört, dass man den Henker vorab bezahlen konnte, damit er einem einen gnädigen Tod durch Erdrosseln bescherte. Das musste vom Volk unbemerkt bleiben, denn sonst fühlte es sich um den schaurigen Todeskampf betrogen, den das Verbrennen eines lebendigen Verurteilten bescherte.
    Armido war auf den Boden gesunken und hatte sich die Arme über den Kopf geschlagen. Als die Flammen aufschlugen und das Reisig der Scheiterhaufen zu knistern begann, schrie Armido auf, sein Rücken schüttelte sich unter Weinkrämpfen. Der Erzbischof sagte zu Luisa: »Seht gut hin! Den Flammen habt Ihr Euren Bruder entrissen, aber die Hölle hat viele Strafen für Ketzer bereit. Jederzeit!«
    Fassungslos und mit brennenden Augen starrte sie auf die
Scheiterhaufen. Die Frau wand sich heftig unter ihren Fesseln und brüllte vor Schmerzen. Plötzlich stürzte sie nach vorn in das Feuer, als ihre Fesseln versengt waren, wurde aber sofort mit Lanzen von den Soldaten zurück an den Pfahl gestoßen. Sidrac Bayle, der Prediger und Arzt, stand mit stoischer Miene und geschlossenen Augen am Pfahl. Die Lippen bewegten sich im stummen Gebet. Weder Sidrac noch Isabeau bescherte der Henker einen leichten Tod.
    Luisa schloss die Augen. Der Geruch von verbranntem Fleisch verursachte ihr Würgereiz. Als endlich das Brüllen der Frau erstarb, schlug sie zitternd die Hände vors Gesicht. Ihre Reaktion schien den Erzbischof mit Genugtuung erfüllt zu haben, denn er gab dem Qualifikator den Befehl, sie nun zum Kerker zu bringen. Um die Bühne zu verlassen, mussten sie an der Ehrentribüne und damit an Sampieri vorübergehen, dessen kalte Augen Luisa durch und durch gingen. Kein Wort kam über seine schmalen Lippen, doch sein hasserfüllter Blick verfolgte sie bis hinunter auf den gepflasterten Platz. Erst als sie Armido in die Arme fiel, konnte sie die entsetzliche Angst vor drohender Rache abschütteln.
    »Armido!« Schluchzend umklammerte sie ihren Bruder, der ihre Umarmung zwar erwiderte, doch kein Wort sagte.
    »Dort entlang!«, befahl einer der Soldaten, die sie zusammen mit dem Qualifikator durch die Schaulustigen geleiteten. Hinter ihnen huben die Mönche an zu singen.
    Luisa umfasste die Hand ihres Bruders und hielt sich den Unterarm vors Gesicht, denn Qualm und der Gestank von verkohltem Fleisch und Weihrauch ließen sie würgen.
    Armido ging neben ihr wie in Trance. Er konnte nicht begreifen, dass er dem Feuer entronnen war, in dem seine Freunde eben ihr grauenvolles Ende gefunden hatten. Seine kleine Schwester hatte ihn gerettet, und dennoch konnte er sich nicht freuen, denn ein besserer Mann als er hatte sterben
müssen. Sidrac Bayle war ein unendlicher Verlust für die Gemeinde und für seine

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