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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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umbringen.
    »Was weiß ich. Es war tot!«, meinte der Kerkermeister und sah den Qualifikator hilfesuchend an. »Wir haben sie tot gefunden und weggeschafft.«
    »Es hat wirklich keinen Sinn, draußen vor der Stadt nach den Leichen zu suchen.« Der Dominikaner räusperte sich. »Die Körper werden mit Gips und Kalksand überstreut. Diese Regelung ist neu und soll die Pest fernhalten.« Stolz über die fortschrittliche Beseitigung der Leichen schwang in seiner Stimme. »Die Gruben sind riesig. Und was die Abdecker
mit den Toten machen, ist bekannt … In Gottes Namen, geht! Verlasst die Stadt!«
    Alles, was irgendwie von Wert war, wurde von den Leichenfledderern beansprucht, bevor die Leichen in den Gruben verschwanden, selbst Kleidung und Haare. Sprach da tatsächlich Mitleid aus den Worten des Mönchs, oder hatten sie etwas zu verbergen? Luisa war unsicher, aber es war weder die Zeit noch der Ort, Nachforschungen anzustellen. Sie mussten dankbar sein, dass Armido lebte, und sollten Embrun so schnell wie möglich verlassen, bevor Sampieri oder der Erzbischof ihre Köpfe zusammensteckten und ihnen womöglich einen Meuchelmörder hinterherschickten.
    Armido rannte zur Nachbarzelle, sah hinein, lief zur nächsten Zelle, rüttelte an den Gittern und fragte: »Wo ist Aziza?«
    »Wer?« Unverständnis sprach aus der Miene des Qualifikators.
    Der Kerkermeister hängte den Knüppel an seine Hose. »Ihr meint die Hexe? Sie hat uns mit fremdländischen Flüchen belegt.« Rasch machte er ein Kreuzzeichen und berührte einen kleinen Beutel an seinem Gürtel, was der Qualifikator mit Missbilligung quittierte.
    »Sie wurde nicht verbrannt. Aziza?«, rief Armido laut und horchte in die Gänge, aus denen keine Antwort kam.
    »Brauchst nicht schreien. Die ist fort.« Für diese Auskunft erntete der Kerkermeister einen strafenden Blick von dem Dominikaner.
    »Mehr können wir nicht für euch tun. Ich habe Order, euch bis zum Stadttor begleiten zu lassen.« Damit war die Sache für den Qualifikator abgeschlossen.
    Luisa hatte nur noch den Wunsch, dem Kerker den Rücken zu kehren und Embrun zu verlassen. »Armido, caro .

    Wir können hier nichts mehr ausrichten. Lass uns gehen«, drängte sie ihren Bruder sanft auf Italienisch.
    Da die Mönche des Lateinischen mächtig waren, war es sinnlos, ihrem Bruder auf Italienisch Vertrauliches mitteilen zu wollen. Das musste warten, bis sie unter sich waren.
    Mit hängendem Kopf und einem letzten traurigen Blick auf die Tür zu Aleyds Zelle folgte Armido ihr. Sie nahm seine Hand und drückte sie fest, doch er schien nichts zu spüren, und seine Augen waren leer. Das Schicksal hatte ihm in den vergangenen Wochen mehr aufgebürdet, als ein Mensch ertragen kann, dachte Luisa, es würde lange dauern, bis er das Erlebte und den Verlust überwunden hatte. Doch sie hoffte, dass die Arbeit ihm helfen würde, seine Arbeit in Fontainebleau. Meister Rosso würde ihn wieder aufnehmen, und dort war er in Sicherheit, denn der König hatte ihn begnadigt. Zumindest hegte sie diese Hoffnung, und hoffen durfte sie.
     
    Während in Embrun die Scheiterhaufen brannten, hielt Papst Paul III. Hof in Nizza. Galant plauderte er mit der Gemahlin des französischen Königs, der Königin von Navarre und der Herzogin d’Étampes. Königin Eleonore plante auch einen Besuch bei ihrem Bruder, Kaiser Karl, dessen Schwester Maria von Ungarn ebenfalls in der südfranzösischen Hafenstadt weilte.

XXXV
    Vallis Lacrimarum
    Tal der Tränen (Psalm 83,7)
    Weine, solange du Zeit hast, solange
deine Seele in deinem Körper ist …
Erwirb das Heilmittel für die Zukunft,
während du lebst … damit die Tiefe des Abgrunds
dich nicht verschlinge .
    Le Bestiaire ,
aus einer Predigt über Matthäus 12, 36-37
    Eine Eskorte aus vier erzbischöflichen Soldaten begleitete Luisa und Armido zum Stadttor von Embrun. Immer wieder zeigten Leute mit dem Finger auf Armido und schrien: »Ketzer!«
    Kurz bevor sie das Stadttor erreichten, traf sie ein Stein. Die Soldaten hielten den Pöbel zwar auf Abstand, doch Luisa ahnte, dass sie es guthießen, wenn der Mob seinem Unmut tätlich Luft machte.
    »Ab jetzt seid ihr auf euch gestellt. Lasst sie durch!«, befahl der Anführer der Eskorte den Wachen am Tor. Die bärbeißigen Männer nahmen ihre Hellebarden zur Seite und ließen Luisa und Armido passieren.
    Allein standen sie nun auf dem steinigen Weg, der von Embrun hinunter in die Ebene und zum Fluss führte. Noch war das Volk in der Stadt und

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