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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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bereits von Arbeitern herbeigeschafft. Das Schloss würde seinem König zur Ehre gereichen, denn es vereinigte auf perfekte Weise Elemente französischer und italienischer Architektur. Vor allem der italienische Einfluss trat immer deutlicher zu Tage, dachte
Luisa nicht ohne Stolz, als sie die exquisite Silhouette des Pavillons erblickte.
    Vor fast zwei Monaten hatte sie Fontainebleau verlassen, aber wie viel hatte sich seitdem verändert. Sie hatte sich verändert. Armidos Tod hatte einen Schatten auf ihr Leben geworfen, und sie hatte das Gefühl, dass er mit jedem Tag länger und schwärzer wurde und sie langsam zu erdrücken drohte.
    »Schau her. Diese Bank ruht ebenfalls auf Kugeln. Sie werden noch vergoldet, genau wie die auf dem Dach.« Rosso Fiorentino war vor ihr in den Pavillon getreten und erklärte die Fortschritte der vergangenen Wochen.
    Es war Sonntag, der einzige Tag der Woche, an dem die Arbeiten ruhten und sich die Künstler und Handwerker oberflächlichen Vergnügungen widmen konnten, ohne den obligatorischen Kirchgang zu versäumen. Die meisten Männer waren ins Dorf gegangen, wo eine Gauklertruppe gastierte. Andere waren auf der Jagd, und einige vertrieben sich mit Spaziergängen im Park die Zeit.
    »Eigentlich bedeutet pavilio Zelt. Aus Italien kennen wir den padiglione als Holzkonstruktion, die ein vergängliches Gartenelement ist. Ich habe mich jedoch für einen beständigen Steinbau entschieden, der mit kostbarem Dekor und illusionistischer Wandmalerei versehen wird.« Rosso stand vor den beiden Wänden und breitete die Arme aus. »Der Besucher des Pavillons soll sich von einer Landschaft, einem Laubengang in die Welt der Götter entführen lassen. Da das Thema die Pomona ist, habe ich mich für die Geschichte von Vertumnus und Pomona aus Ovids Metamorphosen entschieden.« Er machte eine Pause und sah zu Luisa, die sich an einen Pfeiler gelehnt hatte und die begonnenen Stuckarbeiten betrachtete, an denen ihr Bruder mitgewirkt hätte, wäre er noch am Leben.

    »Pomona, die Metamorphosen, folgst du mir?«, fragte Rosso, doch es lag keine Ungeduld in seiner Stimme.
    »Oja. Entschuldige. Ovid. Vertumnus entbrannte in Liebe zur Nymphe Pomona, die sich um ihren Obstgarten sorgte, jedoch keinem Mann Zutritt gestattete. Der listige Vertumnus nahm die Gestalt einer alten Frau an und erzählte der Nymphe von einem hartherzigen Mädchen, das nach dem Selbstmord des verschmähten Liebhabers zur Strafe versteinerte. Als Vertumnus seine wahre Gestalt annahm, entbrannte Pomona in Liebe zu ihm. In aller Kürze«, sagte sie.
    »Ich will nun jenen Augenblick festhalten, in dem die alte Frau die Nymphe zu überzeugen versucht, Vertumnus zu erhören, und Amor hat seinen Pfeil schon im Anschlag. Natürlich steht die Illusion der Natur im Vordergrund. Der Stuckrahmen macht deutlich, dass es sich um ein Bild handelt, aber genau wie in der Galerie werden die Realitätsebenen auch im Pavillon vermischt.« Rosso stellte sich vor die freien Flächen, in denen die Fresken entstehen sollten, und formte mit den Händen phantastische Gebilde. »Aus Stuck werden ringsherum Satyrpaare, Fruchtgirlanden, Putti und Karyatiden mit Obstkörben lebendig werden. Und ich meine lebendig! Für deinen Bruder wäre es ein Fest gewesen …« Er lächelte, und sie wusste, dass er sie aufmuntern wollte.
    »Und das andere Fresko? Es ist Platz für zwei Bilder. An jeder Wand eines.«
    Rosso räusperte sich. »Primaticcio hat gedrängelt und genörgelt, bis er die Erlaubnis bekam, das andere Fresko zu gestalten.« Er wischte die Idee des ungeliebten Rivalen fort wie eine lästige Fliege. »Er hat sich für Priapus in seiner Rolle als Schützer der Gärten und als Fruchtbarkeitsgott, der auch für die Natur zuständig ist, entschieden. Ein Schriftzug unter seinem Fresko wird lauten ›a fontene bleau‹.«

    Gemeinsam kehrten sie dem Pavillon den Rücken. »Es gefällt dir nicht, was er vorhat?«
    Rosso zuckte mit den Schultern. »Es entspricht seiner kleingeistigen Natur. Ich streite mich nicht mit ihm. Mein Projekt ist die Galerie, und da redet er mir nicht hinein.« Er packte ihren Arm. »Das Konzept geht auf! Franz ist Cäsar, Triumphator, und zugleich ist alles Allegorie, verleiht der Phantasie des Betrachters Flügel.« Er lachte und blinzelte in die Morgensonne. »Und falls Karl je hierherkommt, wird er es bewundern, weil er es nicht versteht! Wäre ich so plump wie Primaticcio, würde der Kaiser angesichts der Galerie Franz

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