Die Malerin von Fontainebleau
lobte sie nur, wenn sie allein waren, und vermied vor allem vor Pellegrino jede Berührung. Sie durfte keinen Anspruch auf Rosso erheben, doch sie fühlte sich allein, und Armidos Zimmer hatte einer
der römischen Stukkadore bezogen. Eine Katastrophe für Luisa, die sich nun ständig unter Beobachtung fühlte und sich nicht mehr waschen mochte, weil sie in ständiger Angst vor Entdeckung ihrer Identität lebte.
Die Stimmen entfernten sich wieder. »Giovanni«, sagte sie. »Ohne Armido habe ich Angst allein in meinem Zimmer. Er war zwar nicht immer da, aber die anderen hatten Respekt vor ihm.«
Er sah sie nachdenklich an. »Es ist schwer für dich. Vielleicht solltest du nach Siena zurückgehen.«
Tränen füllten ihre Augen. »Nein, bitte schick mich nicht fort! Ich werde Grivel fragen, ob ich die Kammer neben Scibec bekommen kann. Die Semele wird Mitte August fertig sein.«
»Das Fresko macht gute Fortschritte, in der Tat. Aber ich wusste, dass du etwas Besonderes schaffen kannst.« Er hob die Zweige an und wartete, bis sie vor ihm auf den Rasen hinaustrat, der durch die lange Trockenheit seine sattgrüne Farbe eingebüßt hatte. »Luca.«
Sie drehte sich zu ihm um und las die widersprüchlichsten Gefühle in seinen Augen. »Du musst dir keine Gedanken meinetwegen machen. Es war meine Entscheidung hierherzukommen, und ich trage die Konsequenzen meines Tuns. Mit Gottes Hilfe werde ich das Fresko beenden, und dann gehe ich nach Siena zurück.«
»Sei nicht so hart gegen dich selbst. Du kannst immer auf meine Hilfe zählen, das weißt du. Aber im Moment sind mir die Hände gebunden, weil ich jeden guten Mann im Schloss brauche, und Pellegrino leitet die Arbeiten am Pavillon. Ich kann ihn nicht fortschicken.«
Beschämt senkte sie den Blick, wusste sie doch, worauf er anspielte. »Nein, das würde ich niemals von dir verlangen.«
»Der Hof kehrt bald zurück, und der König will Ergebnisse
sehen. Wir alle stehen in der Pflicht.« Seine Stimme wurde weicher. »Wenn die Galerie fertig ist, sieht es anders aus. Dann habe ich mehr Zeit. Niemand verlangt, dass du gehst, am wenigsten ich. Du pflegst keine Verbindungen zu Ketzern?«
Vehement schüttelte sie den Kopf.
»Dann hast du nichts zu befürchten, außer, dass jemand dein Versteckspiel durchschaut, aber die Hosenrolle scheint dir in Fleisch und Blut übergegangen zu sein. Verhalte dich unauffällig, konzentriere dich auf deine Arbeit, und alles wird sich zum Guten wenden.« Sein Lächeln sollte sie ermutigen, doch es erreichte seine Augen nicht.
Am nächsten Morgen gehörte sie zu den Ersten, die in der Galerie erschienen. Nur Matteo war, wie immer, schon vor ihr dort und hatte die Putzfläche für Meister Rosso bereits vorbereitet.
»Guten Morgen, Trauerkloß. Lauf nicht dauernd mit dieser Leichenbittermiene herum. Das verdirbt mir die Laune.«
Sie verzog das Gesicht. »Danke für dein Mitgefühl, Matteo.«
»Hilft es vielleicht, wenn ich dir heulend die Farben reiche, dir heulend den Mörtel mische, dir …« Er schlurfte mitleiderregend hin und her und sah so komisch dabei aus, dass er Luisa ein schwaches Lächeln entlockte.
»Schon gut. Tut mir leid, wenn ich unausstehlich bin, aber er war mein großer Bruder, meine Familie …« Sie presste die Lippen aufeinander und schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter.
Matteo griff nach einem Eimer mit frisch angerührtem Mörtel. »Komm mit!«
Dann ging er vor ihr ins nördliche Kabinett und kletterte auf das Gerüst vor der noch dreiviertel freien Bildfläche
der Semele . Geräuschvoll setzte er den Eimer ab und drückte Luisa einen Hobel in die Hand. »Los, trag den Putz auf und hör mir zu.«
Sie nahm den schmutzigen Kittel vom Gerüst, zog ihn über ihre Kleidung und begann die Teilfläche, die sie heute bemalen wollte, zu verputzen.
Matteo lehnte sich an das Gerüst und sah ihr mit vor der Brust verschränkten Armen zu. »Wir sind ja unter uns, aber trotzdem sage ich es nur ein Mal – dein Bruder war ein Vaudois.«
»Woher …?« Entsetzt glitt ihr der Hobel aus der Hand und fiel polternd zu Boden.
»Ich habe das nur vermutet, aber deine Reaktion ist Beweis genug. Im Schloss kursieren die wildesten Gerüchte, seit Armido in Paris der peinlichen Befragung unterzogen wurde. Keine Angst, ich behalte das für mich. Du bist doch ein guter Katholik?« Er grinste, als sie ernsthaft nickte und den Hobel aufhob.
»Na schön. Ich weiß nichts über die Vaudois, außer, dass sie der Kirche ein Dorn
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