Die Malerin von Fontainebleau
Saiten, und sie werden die Violinen fertigen. Ich glaube, wir sind gleich da.« Josef Lavbruch sah durch die offenen Fenster, durch die der Straßenlärm und der Gestank von Abfällen, Kot und Kadavern drangen, eine übel riechende Mischung, die der Regen kaum minderte.
Fragend sah er Peter an, der sich vorbeugte und mit der Faust gegen die Wand hinter dem Kutscher schlug. »He, halt an! Wir steigen hier aus!« Der Wagen blieb neben einem Torbogen stehen, hinter dem eine schmale Gasse mit zweistöckigen Wohnhäusern lag. Die Brüder nahmen ihre Beutel und Taschen und kletterten aus dem Wagen.
Luisa stieg ebenfalls aus und sah traurig ihren Reisegefährten zu, die ihr Gepäck ordneten. Sie hatte gehofft, dass sie
noch weiter mit ihnen reisen konnte, doch für die drei war hier eine längere Rast eingeplant, bevor sie in die Schweiz und dann nach Straßburg weiterreisen würden.
Peter legte ihr seine kräftige Hand auf die Schulter. »Gib auf dich acht, Luca. Und geh zum ›Goldenen Eber‹. Dort findest du ganz gewiss einen Kaufmann, der nach Frankreich unterwegs ist.«
Sie hatten ihr erklärt, dass jenes Gasthaus, das in der Nähe von San Sisto lag, der Treffpunkt französischer und deutscher Kaufleute war und sie dort mit großer Wahrscheinlichkeit eine Reisemöglichkeit Richtung Paris finden werde.
Rutilio rief aus dem Wagen: »Jetzt komm! Wir wollen weiter!«
»Vielleicht braucht man auch in Paris Saiten …«, sagte Luisa lächelnd und schüttelte den Brüdern nacheinander die Hände.
»Oh, das glaube ich doch! König Franz ist ein Connaisseur der schönen Künste. Viel Glück und auf bald!«, sagte Peter und nickte aufmunternd.
Rutilio streckte seinen Kopf zur Tür heraus. »Wir fahren auch ohne dich.«
»Auf bald …«, brachte Luisa leise hervor und stieg in den Wagen zurück. Unglücklich sah sie den drei hochgewachsenen Männern nach. Die blonden Haare der Lavbruchs stachen deutlich aus der Menge hervor. Sie würde sie vermissen, hatte sie doch zum ersten Mal seit langer Zeit das Gefühl, Freunde gefunden zu haben. Aber wer vermochte zu sagen, was die Zukunft bringen würde? Als Nächstes musste sie zum »Goldenen Eber«, und dann würde sie weitersehen.
VI
Gefährliches Versteckspiel
D er November hatte Regen und Kälte gebracht. Armido stand am Fenster seines Zimmers im Schloss und starrte nach draußen, wo der See dunkel zwischen den Bäumen lag. Seit Tagen ging der Regen mit einer zermürbenden Dauerhaftigkeit hernieder. Die Wege um das Schloss waren aufgeweicht und zum Teil unpassierbar. Rosso hatte sich kaum auf der Baustelle sehen lassen, sondern verbrachte viel Zeit in seinen Gemächern, die sich im Trakt neben den vergleichsweise winzigen Räumen der anderen Künstler befanden. Da der König Rosso mit Aufträgen für Entwürfe aller Art überschüttete, zog sich der Florentiner Künstler zum Arbeiten gerne in die Abgeschiedenheit seiner Gemächer zurück.
Armido schloss das Fenster und wischte sich den Regen aus dem Gesicht. Im Grunde war er vor allem deshalb verärgert, weil das Treffen mit Jules und dem barbe geplatzt war, da die Wege aufgrund des starken Regens unpassierbar waren und er weder sein Gelübde abgelegt noch Aleyd gesehen hatte. Noch nie hatte er eine Frau derart begehrt. Dabei fiel es ihm schwer zu erklären, warum. Aleyd war schön, aber das war auch Josette, die sich eben auf seinem Bett rekelte und eine Hand nach ihm ausstreckte.
»Komm her. Beweis mir, dass das Blut in deinen Adern heißer fließt als das unserer dekadenten Aristokraten.« Ihre
Stimme klang wie das Gurren einer Taube und verhieß angenehme Ablenkung, denn Josette war eine phantasievolle Gespielin.
Im Kamin krachte ein Holzscheit. Auf einem Tisch stand eine Flasche Rotwein, französischer Burgunder, aber durchaus trinkbar, und Armido löschte seinen Durst mit einem Glas, bevor er die Schnüre seiner Hose löste und sich von Josette auf das Bett ziehen ließ. Es war unschwer zu erkennen, wonach ihm der Sinn stand, und Josette bog ihren schlanken Leib, damit er ihre vollen weißen Brüste koste. Er zögerte nicht, doch als seine Lippen die roten Knospen berührten, sah er Aleyds klares Profil, wie es sich gegen den blauen Himmel abhob, die hellen Locken spielten im Wind, und dann wandte sie den Kopf und sah ihn an. »Armido«, flüsterte sie.
»Was?«, fragte er atemlos, doch das Bild zerbrach, und Josette starrte ihn wütend an.
»Du hast an eine andere gedacht! Mistkerl!« Ihre Hand traf seine
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