Die Maori-Prinzessin
Gesicht huschte ein verschmitztes Lächeln. Sie gab ihrer Schwester das Kind zurück, beugte sich zu ihr hinunter und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich habe dich schrecklich vermisst«, flüsterte sie.
»Ich dich auch«, seufzte Lucie.
Harakeke setzte sich neben sie auf einen Korbstuhl und musterte sie prüfend. »Ist er weg?«
Lucies Miene verfinsterte sich. »Von wem sprichst du?«
»Von deinem Freund!«
»Ich denke, du sprichst von Hehu, oder?«
Harakeke nickte.
»Und was soll der merkwürdige Unterton?«
»Euer Verhältnis ist Stadtgespräch. Und ich habe auch nichts dagegen, dass du dich neu verliebst, aber in den Mörder unseres Vaters?«
»Er ist kein Mörder, verdammt noch mal! Wie oft soll ich dir das noch sagen? Und mein Geliebter ist er auch nicht!«, entgegnete Lucie heftig.
Harakeke zog skeptisch ihre Augenbrauen hoch. »Das geht mich ja auch gar nichts an, aber ausnahmsweise glaube ich, dass ein Körnchen Wahrheit an dem Klatsch ist. Und außerdem sagt Fred, dass …«
»Fred? Wer ist Fred?«
»Ach, nichts. Und wie ist es nun? Wohnt er noch bei dir?«
»Ja, er bewohnt das große, etwas abgelegene Zimmer und das wird er auch in Zukunft tun. Jedenfalls solange Ahuri im Dorf das Sagen hat. Er war es auch, der ihm die Polizei auf den Hals gehetzt hat.«
»Er wird also unter deinem Dach wohnen bleiben?«, fragte Harakeke entsetzt.
»Ja, und noch einmal ja. Ich bin ihm Unterstützung schuldig!«
»Warum? Nur, weil du einen anderen Mann geheiratet hast als ihn?«
»Ach, das verstehst du nicht!« Lucie machte eine abwehrende Geste.
Harakeke stöhnte laut auf. »Schon gut, schon gut, er soll nicht zwischen uns stehen. Ich will ihn nur nicht sehen.«
»Keine Sorge, er macht sich immer unsichtbar, sobald ich Besuch bekomme. Überhaupt ist er ein sehr diskreter Mann. Und wenn es dich interessiert: Er hat mir keine Avancen gemacht. Ich glaube eher, dass er sein Herz für Stella entdeckt hat.«
»Aber warum in aller Welt hast du denn, ich meine, du hast der Polizei erzählt, ihr beide wärt ein Paar.«
Lucie wurde bleich. »Woher weißt du das?«
»Ach, das ist bekannt. Und in ganz Napier Gesprächsthema Nummer eins. Die Leute zerreißen sich das Maul darüber, dass du Tom Bolds Andenken in den Schmutz ziehst, weil du altes Weib mit deinem Geliebten in seinem Haus lebst! Aber wenn dem nicht so ist, dann bedeutet das ja, dass du ihm ein falsches Alibi geliefert und den Inspektor getäuscht hast?«
»Er war es nicht. Das kann ich beschwören, und jetzt würde ich gern den Kleinen füttern. Oder willst du ihn mir abnehmen?«
Harakekes Miene erhellte sich. »Wenn ich darf, dann gern.«
Lucie reichte ihr das Kind. Amüsiert sah sie ihrer Schwester dabei zu, wie sie Adrian fütterte und sich der Brei dabei gleichmäßig über ihr dunkelblaues Kleid verteilte.
Gerade als sie dem Kind den letzten Bissen in den Mund schob, kündigte sich lautstark Joannes Eintreffen an. Sie brüllte etwas Unverständliches. Die beiden Frauen fuhren erschrocken herum. Durch die Scheibe erkannten sie, dass sich Joanne mit in die Hüften gestemmten Armen vor Hehu aufgebaut hatte und ihn anschrie. Er aber drehte sich offenbar wortlos auf dem Absatz um und verließ das Zimmer.
Und schon trat Joanne wutschnaubend nach draußen. »Mutter! Wirf endlich diesen Kerl raus. Das ist ja widerlich.«
Lucie verschlug es die Sprache.
»Erst einmal einen schönen guten Tag, liebe Joanne«, flötete Harakeke.
Joanne stieß einen abschätzigen Zischlaut aus. »Du, liebe Tante, heißt das ja mit Sicherheit gut, dass meine Mutter mit diesem Kerl in wilder Ehe lebt und die ganze Stadt Bescheid weiß, nicht wahr?«
Harakeke wollte gerade etwas erwidern, als Joanne ihr über den Mund fuhr. »Es ist mir egal, was du dazu sagst. Ich will das nicht, Mutter! Verstehst du? Nicht in diesem Haus!«
Lucie räusperte sich ein paar Mal, bevor sie mit belegter Stimme hervorstieß: »Joanne, du wohnst nicht hier. Du bist erst zu deiner Freundin gezogen und dann mit deinem Mann nach Meeanee. Es ist allein meine Sache, was ich in diesem Haus tue oder lasse.«
Harakeke warf ihrer Schwester einen bewundernden Blick zu, der so viel sagte wie: Ich habe Joanne gegenüber selten so klare Worte aus deinem Mund gehört!
Joanne ballte die Fäuste und lief knallrot an. »Gut, dann entscheide eben, wer hier wohnt, aber dann hat mein Sohn hier nichts mehr zu suchen …« Mit einem energischen Schritt trat sie auf Harakeke zu und entriss ihr grob das
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