Die Marketenderin
Platz gemacht, die Matthäus gar nicht an der Assenheimerin kannte. Liebe war es nicht, da machte er sich nichts vor, aber zumindest war er ihr nicht zuwider. Sonst hätte sie sich nicht von ihm berühren lassen. Es war etwas ungewöhnlich Nachgiebiges, Sanftes um sie und er schöpfte Hoffnung. Sie mußte ihn nicht lieben, das erwartete er gar nicht. Wie sollte sie auch, dachte er, ich bin niemand Besonderes, habe ihr nichts Großartiges zu bieten, nur meine Liebe, aber die reicht für zwei. Ich weiß, daß mich nie eine andere Frau interessieren wird, daß nur Juliane die Mutter meiner Kinder sein kann. Er wollte sie jetzt noch einmal fragen und wenn sie ihn wieder abwies, würde er ihr trotzdem seinen Schutz auf dem Feldzug anbieten.
Er führte sie zu einem Stuhl. »Setz dich.«
Dann schob er den zweiten Stuhl heran und registrierte enttäuscht das belustigte Aufglimmen in Julianes Augen, als er sich darauf niederließ und gleich darauf zu Boden stürzte.
»Verdammt! – Entschuldigung!«
Mühsam erhob er sich und betrachtete die Trümmer des Stuhls.
»Der ist schon lange kaputt. Schmeiß das Holz in den Kamin«, empfahl ihm Juliane. »Und du brauchst mir keinen langen Vortrag zu halten, ich werde dich gleich morgen heiraten. Wie ich dich kenne, hast du das Aufgebot schon längst bestellt.«
Ein Stuhlbein polterte zu Boden.
»Du machst jetzt keine Witze?« fragte Matthäus verunsichert. Er hätte es nicht ertragen können, wenn die Assenheimerin wieder einen Scherz mit ihm trieb.
»Nein. Dafür bin ich zu müde. Ich glaube, jetzt mußt du mich küssen.«
Sie spitzte die Lippen.
Nach langer Werbung war er endlich am Ziel und es enttäuschte ihn keineswegs, daß die Assenheimerin so schnörkellos den Antrag annahm. Sie war eben anders als andere Frauen und genau darum liebte er sie.
So, dachte sie, ich habe es getan, ich werde ihn heiraten, ihm eine gute Frau sein und er wird mich beschützen. Alles andere wird sich finden. Wenn ich mich nur ordentlich anstrenge, kann ich bestimmt diesen Johannes Gerter aus meinem Herzen verbannen. Alles nur eine Frage des Willens. Schweige, Herz!
»Lad's Gewehr! Öffnet die Pfanne! Ergreift die Patrone! Pulver auf die Pfanne! Schließt die Pfanne! Schwenkt's Gewehr zur Ladung!« bellte Matthäus beim Ausbilden der Rekruten in Öhringen.
Meine Geduld ist belohnt worden! Meine Geduld ist belohnt worden!, sang er innerlich und konnte es kaum erwarten, am Abend zu seiner Frau zurückzukehren. Warum hatte sie nur so lange gezögert? Sie war für die Ehe wie gemacht, eine wunderbare Gefährtin und sinnliche Geliebte, die ihm überraschenderweise fast jeden Wunsch von den Augen ablas und schon in diesen wenigen Wochen zur Vertrauten der halben Kompanie geworden war.
Heimwehkranke Rekruten kauften bei ihr eine Unze Tabak oder einen Becher Wein und blieben sitzen, erzählten von ihren Familien, ihren Liebsten und freuten sich wie Kinder zu Weihnachten, wenn sie etwas Nettes sagte. Die Männer hatten Respekt vor ihr und ließen sich wie Schuljungen von ihr ausschelten, wenn sie sich ungezogen benahmen, was nach ein paar Gläsern Branntwein schnell passieren konnte. Matthäus fiel auf, daß sie vor allem den jungen Mössner ins Herz geschlossen zu haben schien, der irgendwie mit dem Leutnant Gerter verwandt war, mit dem sich auch Matthäus vorzüglich verstand. Deswegen ließ er dem jungen Mann auch mehr durchgehen als anderen, aber jetzt war ein Problem aufgetaucht. Es hieß Clärle.
Georg Mössner hatte sie zunächst nur von weitem gesehen, als sie aus dem Brunnen nahe dem Truppenübungsplatz Wasser schöpfte. Ihr Gang war ihm aufgefallen, die Art, wie sie den Eimer trug, ihr von der Sonne goldgefärbtes Haar. Am nächsten Tag hatte er sie auf der Straße wieder getroffen, war ihr gefolgt und hatte sich schließlich ein Herz gefaßt und sie angesprochen.
»Georg Mössner, mein Fräulein, stehe zu Diensten.«
Er schlug die Hacken zusammen.
Sie wandte ihm das Gesicht zu, er sah tausend Sommersprossen und verliebte sich augenblicklich in jede einzelne.
»Nimm den Korb, Soldat.«
Sie reichte ihm einen Korb, der – soweit er sehen konnte – mit Brot und Äpfeln gefüllt war.
»Frisch und duftend«, erklärte er, »aber ein Korb ist's doch.«
»Nur ein Korb und ich gebe ihn dir nicht, sondern du darfst ihn für mich tragen«, erwiderte sie und lachte, weil er nicht wußte, wie er den Korb halten sollte. Wie schafft das der Schreiber bloß, dachte er, daß er der
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