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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Assenheimerin die Körbe trägt und in seiner Uniform gar nicht lächerlich dabei aussieht?
    Mössner hatte in wenigen Tagen eine seltsame Metamorphose durchgemacht. Nach der brutalen Rekrutierung hatte er damit gerechnet, sofort in ein fremdes Land verschickt zu werden, wo er sich der Barbaren erwehren müßte. Aber dann war er einer Einheit von jungen Soldaten zugeteilt worden, die auf ähnliche Weise rekrutiert worden waren und jetzt beim abendliehen Umtrunk Witze darüber rissen. Unter ihnen gab es nicht wenige, die sich auf das vor ihnen liegende Abenteuer freuten. Er hörte den Spruch, daß man manche eben zu ihrem Glück zwingen müsse. Warum Soldat sein ein Glück sein sollte, sah er zwar immer noch nicht ein, aber das Leben am Sammelplatz Öhringen war erträglich.
    Die Soldaten waren mit Schießübungen beschäftigt und fanden es zunächst gar nicht so übel, daß Warten die Tugend der Soldaten sein sollte. Dieses Warten gestaltete sich nämlich bei Bier und Wein in geselliger Runde recht angenehm. Mössner war davon überzeugt, er habe es seinem Onkel Jo zu verdanken, daß er bei dem größtenteils recht umgänglichen Korporal Schreiber untergekommen war.
    Die Assenheimerin erwähnte mit keinem Wort ihre erste Begegnung auf dem Hof der Mutter. Er war dankbar, daß sie so tat, als hätte sie ihn erst in Öhringen kennengelernt. Sie nahm ihn herzlich auf, steckte ihm öfter mal was zu und vermittelte ihm ein Gefühl von Heimat.
    Um älter auszusehen, hatte er sich einen Bart stehen lassen, aber die zur Nase hin nach oben verlaufenden Augenbrauen verliehen seinem faltenlosen Gesicht den Ausdruck eines fragenden Kindes. Sein Gang wirkte steif, denn Mössner, der auf dem Hof immer in bequemer Kleidung herumgelaufen war, mußte sich an die engen Stiefel und die stramm sitzende Uniform erst gewöhnen. Er wußte noch nicht recht, was er vom Soldatenleben halten sollte, hatte sich auch noch nicht daran gewöhnt, mit so vielen Menschen auf engem Raum zusammenzuleben. Aber es machte ihn stolz, wenn Schreiber bei den Schießübungen sein treffsicheres Auge lobte. Wäre er nicht zu den Soldaten gepreßt worden, hätte er nie gemerkt, daß er ein so guter Schütze war. Außerdem hätte er in seiner Bauernkleidung nie gewagt, das Mädchen anzusprechen. Die Uniform gab ihm Mut, machte ihn zu einem Mann, dem man ansah, daß er wußte, was er wollte.
    Dieses Mädchen kennenlernen, zum Beispiel.
    Sie brauchten für den zehnminütigen Fußweg zu dem Haus des Mädchens fast eine ganze Stunde. Clärle hieß sie, war so alt wie er und träumte von einem Leben weit weg von Öhringen.
    »Kannst Marketenderin werden«, schlug er vor, »dann reist du überall mit uns hin. Wie die Assenheimerin.«
    Clärle schüttelte den Kopf.
    »Dann müßt ich vom Krieg leben. Nein, ich mag's Militär nicht, es hat mir den Vater genommen, den Bruder und mich arm zurückgelassen, und jetzt muß ich bei der Tante auf dem Hof wohnen. Schwer arbeiten und dankbar sein. Und nie wegkommen. Wer heiratet schon ein armes Mädchen ohne Mitgift? Nie werde ich sehen, wie's in einer Stadt aussieht.« Sie sah ihn von der Seite her an.
    »Ich zeig's dir!« rief er, wie sie gehofft hatte. »Ich komm zurück und nehm dich mit nach Stuttgart!«
    »Das sagst du jetzt, aber vielleicht bist du Jahre weg.«
    »Bestimmt nicht, wir werden den Russen gleich hinter der polnischen Grenze schlagen. Und dann geht's wieder heimwärts. Der Napoleon, weißt du, dieser Kaiser aus Frankreich, der wird uns dem Sieg entgegenführen.«
    Es wäre ihr lieber gewesen, er würde ihr noch mehr von Stuttgart erzählen, statt sie mit Männersachen zu langweilen.
    »Jeder redet von dem Napoleon«, seufzte sie. »Ich mag den nicht. Trotzdem …«, sie brach kurz ab und strahlte Georg an, »… trotzdem kann ich ihm nicht recht bös sein, denn er hat dich hierher gebracht.«
    Georg Mössner stockte der Atem.
    »Und das gefällt dir?«
    »Du gefällst mir«, antwortete sie einfach.
    Als er am Abend zum Marketenderzelt kam, merkte die Assenheimerin sofort, was mit ihm los war. Er ließ sich an der Kochstelle nieder und gönnte der Gans, die sich am Spieß drehte, keinen Blick.
    »Verliebt?« übertönte sie das Zischen der Fetttropfen im Feuer.
    Er sah sie mit einem verwirrten Blick an.
    »Verliebt«, nickte sie, sagte dann, mehr zu sich selbst: »Da hilft nur eins.«
    Aus einem Faß goß sie ihm ein Glas Branntwein ein und reichte es ihm.
    Aber Mössner wollte nichts trinken.
    »Es steht sehr

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