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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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bleib.«
    Er erinnerte sich an einen Vortrag von Matthäus Schreiber und sagte: »Als Soldat werde ich lernen, diese Angst zu überwinden. Napoleon ist der größte Feldherr aller Zeiten. Er siegt immer. Ganz Europa hat er erobert, nur Rußland fehlt ihm noch. Und danach kommt der ewige Friede, das hat er versprochen. Gott hält die Hand über ihn. Das sagen alle. Es ist eine Ehre, ihm zu helfen, und ich bin stolz darauf.« Er merkte, daß es nicht sehr überzeugend klang.
    Clärle hörte nur mit halbem Ohr hin. Schon wieder dieser lästige Napoleon!
    »Davon verstehe ich nichts. Ich weiß nicht, was Europa ist und es interessiert mich auch nicht. Und Rußland ist schrecklich weit weg. Das hat mit mir doch gar nichts zu tun. Ich will nur eins: mit dir leben. Mir ist egal, wer auf dem Thron sitzt, solange der dich nicht von mir trennt. Laß mich dir helfen, ich kann dich auf dem Hof der Tante verstecken!«
    Mössner schüttelte den Kopf.
    »Du hast ja keine Ahnung, wie gründlich die Soldaten nach Fahnenflüchtigen suchen! Alles werden die durchkämmen, vor allem den Hof deiner Tante. Und dann werden sie mich finden und aufhängen! Und was werden sie dann mit dir tun! Nein, Clärle, ich habe Angst davor.«
    »Es ist zuviel Angst in der Welt«, murmelte sie und dachte an ihre Angst vor der Tante. »Das macht die Menschen unglücklich. Bis du kamst, waren mir die Soldaten gleichgültig. Sie taten mir nur leid, weil sie im Krieg sterben können. Jetzt ist alles ganz anders, jetzt habe ich Angst um dich. Verstehst du mich?« Er knöpfte sich die Uniformjacke zu und stellte fest, daß er die Knöpfe nachpolieren mußte. Er war Soldat, er trug Verantwortung und er durfte nicht weglaufen. Auch wenn er nichts lieber getan hätte.
    »Die Offiziere sagen, daß wir für unseren König kämpfen und sterben müssen und unsere Frauen vor dem Feind beschützen. Jetzt werde ich für dich kämpfen«, sagte er steif.
    Clärle verstand nur noch, daß sie ihn nicht zurückhalten konnte. »Wo ist denn dein Feind?« brüllte sie außer sich. »Wenn du mich beschützen willst, dann bleib hier in Öhringen oder besser, nimm mich mit nach Stuttgart, aber lauf nicht zu deinem Feind hin!«
    »Das ist Politik, das verstehst du nicht.«
    Aber beide verstanden, was es bedeutete, als in jenem Moment die Soldaten in den Heuschober einfielen.
    Matthäus fand, es ginge ein bißchen weit, daß seine Assenheimerin sich auch noch berufen fühlte, sich um Clärle zu kümmern.
    »Sie kommt mit und damit basta«, hatte Juliane erklärt. »Ich kann Hilfe gebrauchen und sie kann nicht mehr hier bleiben. So einfach ist das.«
    Matthäus fand das überhaupt nicht einfach und fragte Juliane, ob sie denn künftig jedes beliebige Liebchen eines jeden beliebigen Soldaten mitzuschleppen gedächte. Juliane unterdrückte die Bemerkung, Georg wäre nicht ein beliebiger Soldat, sondern Leutnant Gerters Neffe.
    Sie funkelte statt dessen Matthäus nur aus ihren fast schwarzen Augen an. Der hob beschwichtigend eine Hand, wäre ja noch schöner, wenn so eine Dirne den ersten Streit zwischen ihm und seiner Frau heraufbeschwören würde. Und vielleicht könnte ihr das Mädchen wirklich helfen, man würde ja sehen. »Gut, mach, was du für richtig hältst«, sagte er resignierend und verließ das Zelt.
    Ein lieber Mann, dachte Juliane, und so schlimm ist das Verheiratetsein auch nicht. Matthäus nimmt Rücksicht auf mich, ist mein Schutz und Schild und in mancherlei Hinsicht bin ich als Ehefrau freier denn als Unverheiratete. Was will ich mehr? Johannes Gerter, wo bist du, warum bist du nicht hier in Öhringen? Nein, ich darf jetzt nicht mehr an dich denken. Aber wenn Matthäus sie nach dem Zapfenstreich in die Arme nahm, dachte sie nur an Gerter.
    Ende Februar kam der König höchstpersönlich nach Öhringen, um von seinen Truppen Abschied zu nehmen.
    Gerüchte schwirrten durchs Lager, wonach der sonst nicht gerade als weichherzig bekannte Regent Tränen in den Augen gehabt hätte, als ihm zu Ehren die Salutschüsse abgefeuert wurden.
    »Ich hab's ganz deutlich gesehen«, berichtete Mössner, der dank Schreiber mit einer relativ geringfügigen Strafe davongekommen war. »Er hat wirklich geweint!«
    »Sehr rührend«, sagte Juliane unbeeindruckt. »Soll er doch dem Franzosen die Krone zurückgeben. Dann können wir alle nach Hause.«
    Aber das Schicksal hatte mit dem 3. Armeekorps, in dem die Württemberger dienten, andere Pläne. Am 11. und 12. März war zwar immer noch keine

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