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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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schlimm um ihn«, sagte die Assenheimerin später zu Matthäus.
    Georg Mössner konnte nur noch an Clärle denken.
    Meine Hände sind beschäftigt, dachte er, als er das Gewehr lud, meine Füße marschieren, mein Körper nimmt Haltung an, meine Ohren hören Befehle und mein Mund sagt: Jawohl, Herr Unteroffizier. Aber das bin ich ja gar nicht, das ist eine Puppe, die meinen Namen trägt und für mich die Pflicht tut. Merkt denn niemand, daß ich ganz woanders bin, bei Clärle?
    Manchmal gelang es ihm, sich tatsächlich zu entfernen.
    Zweimal war es Schreiber geglückt, für Mössners Abwesenheit eine Entschuldigung zu finden. Aber dann nahm er den jungen Mann ins Gebet, belehrte ihn über seine Pflicht.
    »Du bist Soldat, Mössner, du trägst Verantwortung.«
    »Für den ganzen Krieg?« mischte sich Juliane ein, ihr tat der Junge leid. In normalen Zeiten hätte Georg das Mädchen seiner Mutter vorgestellt und Franziska wäre dankbar gewesen, mit der Frau ihres Sohnes eine kostenlose Arbeitskraft auf dem Hof zu beschäftigen.
    Ein strafender Blick ihres Mannes traf sie.
    »Unser König verläßt sich auf Männer wie dich. Still, Weib.« rief er, bevor Juliane überhaupt den Mund aufgemacht hatte. »Jeden Tag kann der Marschbefehl kommen, du mußt vorbereitet sein und darfst deine Zeit nicht mit unnützen Tändeleien verschwenden. Du mußt mit den Gedanken bei deinem Auftrag sein, Junge, sonst bringst du dich und die gute Sache in Gefahr! Wenn's dir ernst ist mit deinem Clärle, dann kannst du ja zurückkommen. Wenn der Auftrag erfüllt ist, und der Krieg aus dir einen Mann gemacht hat.«
    »Fragt sich nur, was für einen«, murmelte Juliane mit zusammengebissenen Zähnen. Sie hatte von ihrer Mutter gehört, daß Soldaten und Offiziere von Feldzügen verändert zurückkehrten, »und nicht immer als angenehmere Menschen«, hatte die alte Assenheimerin gesagt.
    Auch Clärle war mit ihren Gedanken ständig bei dem jungen hübschen Soldaten.
    »Was singst nur den ganzen Tag? Mach lieber Butter, da will ein ganzes Regiment versorgt werden, das bringt mehr Geld, als wir sonst in einem Jahr reinkriegen!«
    Vielleicht ißt ja der Georg von meiner Butter, dachte Clärle und hörte nicht auf das Gekeife der Tante. Wenn Georg sein Wort hielt, dann würde sie nicht mehr lange auf diesem Hof bleiben müssen. Aber erst zog er in den Krieg – sie hörte auf zu singen – wenn er wie ihr Vater nun nicht zurückkehrte? Oder erst nach zehn Jahren, wenn sie alt und häßlich war? Nein, er durfte nicht aus ihrem Leben verschwinden, sondern mußte sie aus diesem gräßlichen Dorf wegführen und ihrem Leben einen Sinn geben.
    Ein Brunnen, ein Feldweg, ein Baum, eine Wiese, das war Öhringen für Georg Mössner. Am Abend des 9. März kam ein Heuschober dazu. Er hatte Clärle eröffnet, daß sie in zwei, drei Tagen abziehen müßten und sie hatte sich daraufhin mit ihm in einem Heuschober am Feldrand verabredet. Leider wurde das Schäferstündchen unterbrochen, weil Soldaten anläßlich eines Manövers auch die Scheune durchsucht und das Liebespaar aufgestöbert hatten.
    Es war ein wirklicher Skandal, nicht nur, daß sich Mössner unerlaubt von der Truppe entfernt hatte, sondern auch, daß sich ein Mädel aus dem Dorf so schamlos betragen hatte. Wenn sie wüßten, worüber ich mit Clärle geredet habe, dachte er voller Ingrimm, als er zum Korporal geschleppt wurde.
    »Bleib, Georg! Bleib hier, geh nicht mit!« hatte ihn Clärle angefleht. Er hatte sie gefragt, ob sie denn wisse, was man mit Deserteuren mache.
    »Weißt du, was man mit Soldaten macht?« hatte sie geantwortet. »Tot ist tot. Und ich bin sicher, daß ich dich so gut verstecken kann, daß dich niemand findet. Und wenn dich keiner mehr sucht, gehen wir nach Stuttgart, heiraten und bleiben für immer zusammen!«
    Der Gedanke, das ganze Unternehmen aufzugeben, bevor es überhaupt angefangen hatte, barg schon einen gewissen Reiz für Georg, überhaupt die Vorstellung, eine Wahl zu haben. Vielleicht war es feige und ehrlos, sich hinter einem Weiberrock zu verstecken, aber er würde es tun, gestand er sich ein, wenn er sicher sein könnte, daß man ihn nicht fände.
    »Du hast Angst vor dem König!« hatte ihm Clärle auf den Kopf zugesagt.
    »Vor dem Tod habe ich mehr Angst«, erwiderte er, sich an seine Rekrutierung erinnernd. Er wagte es nicht, sich vorzustellen, was Männer, die schon einen unschuldigen Rekruten halb tot geschlagen hatten, mit einem Deserteur tun würden.
    »Dann

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