Die Marketenderin
Angst?«
Sie konnte den Kopf nicht schütteln, weil er ihn immer noch festhielt. Statt dessen sagte sie verblüfft: »Du hast ja doch blaue Augen!«
Noch am selben Abend verabschiedete sich Johannes von Katharina. Er hielt ihre Hand lange fest, nach Worten des Dankes, des Trostes und der Entschuldigung suchend. Schließlich sagte er: »Beseligend war ihre Nähe und alle Herzen wurden weit; doch eine Würde, eine Höhe entfernte die Vertraulichkeit.«
Sie drückte seine Hand und setzte hinzu: »Willkommen waren alle Gäste; doch nahte sich ein liebend Paar, dem reichte sie der Gaben beste, der Blumen allerschönste dar.«
Sie ließ seine Hand los und deutete hinter sich auf den Tisch. »Du wirst verstehen, daß ich eurer Hochzeit fernbleibe, aber ein Geschenk habe ich trotzdem.«
Es war der Samowar.
Juliane und Johannes heirateten am 25. Dezember 1813. Felix hatte ihnen angeboten die Zeit bis zur Abreise in seinem Haus zu verbringen, aber Juliane zog es vor, in Matkas alter Wohnung zu bleiben. Da Johannes fand, daß in der kleinsten Hütte Raum sei für ein glücklich liebend Paar, zog er mit ein.
Felix, der insgeheim noch immer der Meinung war, daß Katharina viel besser zu Johannes paßte als die Assenheimerin, tat alles, um sich seine Einstellung nicht anmerken zu lassen. Er fand einen evangelischen Pfarrer, der das Paar traute, und ließ danach in seinem Haus für das Brautpaar, sich selbst und seine Mutter ein Festessen servieren.
»Ich habe gehört, daß sich die überlebenden Württemberger in Bailystok sammeln sollen«, teilte er Johannes mit. Juliane sah ihren Mann erschrocken an, aber der zwinkerte ihr beruhigend zu. »Ich mache eine Hochzeitsreise nach Hause. Wenn ich angekommen bin, werde ich mich melden, aber früher nicht.«
»Und wird die Frau Oberleutnant beim nächsten Feldzug wieder mit dem Marketenderwagen hinterherfahren?« konnte sich Felix nicht enthalten zu fragen.
»Nur, wenn der Herr Korvettenkapitän dem Herrn Oberleutnant wieder die Stiefel putzt«, erwiderte Juliane, stieß mit Felix sehr undamenhaft an und wandte sich an ihren Mann. »Denk aber bitte nicht, daß du aus mir eine gnädige Frau machen kannst, die den ganzen Tag Konfekt knabbert, mit der Schneiderin über die neuste Mode diskutiert und schamhaft errötet, wenn sich die Herren der Schöpfung einen Witz erlauben. Du kannst mich nicht verändern.«
»Das hatte ich eigentlich auch nicht vor«, sagte Johannes leicht alarmiert. »Was sind denn deine Pläne?«
Amüsiert lehnte sich Felix zurück. Der Herr Oberleutnant würde mit dieser Frau noch sein blaues Wunder erleben und sich nach der kultivierten Katharina von Zimmermann zurücksehnen, davon war er überzeugt.
»Ich werde das tun, was ich kann, also verkaufen.«
»Gemüse, Schuhe, Stoffe, Brot? Du willst wieder einen Laden haben? Aber das brauchst du doch nicht mehr, Juliane, ich verdiene gut, und mit allem, was dir Eugen von Röder hinterlassen hat, bist du doch finanziell abgesichert …«
In Gerter arbeitete es. Er stellte sich vor, wie seine Frau blutiges Fleisch abwog, stinkende Salben feilbot und mit kotverschmiertem Rock Hühner in einen Käfig trieb.
Unmöglich, sie würde sich ändern müssen. Sie war nicht mehr die Assenheimerin, sondern seine Frau. Juliane, die ahnte, was in ihm vorging, lächelte fein.
»Du wirst es mir kaum glauben, aber diesmal geht's mir nicht nur ums Geld. Ich will nicht mehr auf dem Markt stehen, aber ich möchte wieder einen Laden haben. Einen Laden, in dem Gedanken verkauft werden. Einen Bücherladen. Jakob soll mit ganz vielen Büchern aufwachsen. Die Assenheimer Bücherstube, wie klingt das?«
Bücher, Gerter atmete erleichtert auf, vielleicht wußte sie es selbst nicht, aber Juliane hatte sich schon verändert!
»Warum nennst du es nicht Büchersalon?« schlug er vor. »Du könntest einen Lesezirkel für gebildete Leute schaffen, wo Dichter aus Werken vorlesen …«
Juliane lachte. »Natürlich, und ich sitze dann da und knabbere doch Konfekt, während du Schiller zitierst. Hör endlich auf aus mir eine feine Dame zu machen! Ich will einen Laden. Wo jedermann Bücher kauft. Ich habe mein ganzes Leben lang gearbeitet und ich will jetzt nicht die Hände in den Schoß legen. Punkt.«
Vielleicht, dachte Felix, werde ich die beiden doch einmal in Stuttgart besuchen, langweilen werde ich mich da bestimmt nicht.
Juliane streifte ihren Mann mit einem liebevollen Blick. Ich werde Geduld mit ihm haben müssen, dachte sie,
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