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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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inzwischen verlaufen, nur die beiden Wächter standen noch neben dem Rad, das wie ein Fanal der markgräflichen Rache aufragte. Anfangs waren zwischen Tiefenthalers heiserem
Stöhnen noch Worte auszumachen. Er flehte zu seinem Gott, den Mund mit den zerbissenen Lippen zu einem schwarzen Loch geöffnet. Dann schrie er nach Jesus Christus, bettelte um den Tod wie ein Verdurstender um Wasser. Schließlich begann er zu phantasieren. Seine Finger krümmten und spreizten sich zuckend; sie waren außer dem Kopf das Einzige, was der junge Priester noch bewegen konnte. So ging es Stunden. Als der Sonnenuntergang nicht mehr weit war, ging das Stammeln des Sterbenden in ein dumpfes Röcheln über, unmenschlich, leise, unerträglich. Doch der Tod kam und kam nicht.
    Als der Abend kam, war Barbara am Ende ihrer Kraft. Sie hatte fünf Stunden lang in den Schlosshof gestarrt, als ob sie jede Minute, jede Sekunde von Tiefenthalers Sterben in ihr Gedächtnis einbrennen wollte. Jetzt, da es dunkel wurde, war die Zeit gekommen, ihm den letzten Dienst zu erweisen, zu dem sie fähig war. Sie zog den Ring mit dem Rubinkreuz vom kleinen Finger, den sie seit ihrer Kindheit getragen hatte, und ging zu dem älteren der beiden Landsknechte, die ihr den ganzen Tag nicht von der Seite gewichen waren. Ihr Rücken straffte sich. Dann bot sie ihm das Schmuckstück in der offenen Hand dar.
    »Geht hin und macht ein Ende. Dieses Sterben ist keines Menschen mehr würdig.« Die Stimme versagte ihr.
    Der Mann sah erst zu seinem Kameraden hinüber,
der mit der Schulter zuckte. Dann nickte er der Markgräfin zu. In seinem Blick lagen Respekt und Achtung. Er nahm den Ring und steckte ihn ein.
    »Ich hab bloß meinen Schweinespieß … «
    Barbara nestelte an ihrem Gürtel und zog ihr Essmesser aus einer Wildlederscheide, ein Messer mit elfenbeinernem Griff und ziselierter Klinge.
    »Gebt es mir zurück, Soldat, danach«, flüsterte sie tonlos.
    Er nahm das Messer an sich und verschwand. Barbara beobachtete, wie er sich im Schutz der Dunkelheit über den Schlosshof tastete. Die beiden Wachen saßen inzwischen ein Stück vom Rad entfernt am Brunnenhäuschen und tranken Bier aus einem großen Steingutkrug. Der alte Soldat schlich sich leise bis direkt unter den Sterbenden, der immer noch leise wimmerte. Sein sehniger Arm zuckte kurz und kraftvoll durch die Speichen nach oben. Durch Jakob Tiefenthalers Körper ging ein Zucken, und das Wimmern hörte auf.
     
    Unterhalb der Burg in der Nähe der Steinernen Brücke ritt zur gleichen Zeit, als Tiefenthaler starb, Albrecht Alkibiades mit einem kleinen Trupp Soldaten im Schutz der Dunkelheit den Main entlang in Richtung Bayreuth. Seine Aufgabe auf der Plassenburg war erledigt. Gegen Mitternacht schließlich, als auf der Burg alles schlief, nahmen Georg Thiel und der italienische
Maler den geschundenen Körper Tiefenthalers vom Rad. Sie hüllten ihn in ein Kuhfell, legten das Bündel über ein mageres Maultier und verließen über eine Seitenpforte leise das Schloss. Sie begruben den Toten im Kirchhof der zerstörten Augustinerkirche.
    Schreiben des Markgrafen Albrecht Alkibiades von
Brandenburg-Kulmbach an den Hauptmann auf dem
Gebirg, Landgraf Georg von Leuchtenberg,
30 .März 1554
     
    Gottes Gruß zuvor und unsern dazu, bester Freund und ehrnfester Haubtmann. Sei versichert, dass wir glücklich vor den feindtlichen Truppen den Rauen Kulm erreicht haben und uns nunmer mit der Vertheidigung desselben befassen. Dass wir ob der schlechten Nachrichten so schnell wieder Plassenberg verlassen mussten, ist uns mit treuen leid. Mein Georg, es wird dir eine grosse Freud bereiten, dass wir gäntzlich am Bein genesen sind und kein Beschwerd mehr spüren. Das hat der Todt des ketzerischen Pfaffen gemacht, der hat den Fluch von uns genommen, Ehre und Dank sei Gott. Acht wohl auf unser Schwester, dass sie nit abhanden kommen mög. Wenn ihre Zeit gekommen ist, gib ohne Vertzug Nachricht. Weder sie noch das Bankert haben Gnade verdient, auch wenn dir die Straff nicht leicht fallen wird. Wir wissen, dass sie dir viel Guts gethan
und du sie weidlich vor Schlimmem bewahrn möchtst, dennoch ist Hochverrath des Todts würdig.
    Was wir jetzt berichten, ist für nymands andern bestimmt. Seit gestern sind wir in Verhandlung mit dem Frantzosenkönig. Falls wir unsre angestammten fränkischen Lande Kriegs wegen verliern, was Gott verhüthen möcht, so brauchen wir eine guthe und dauerhaffte Zuflucht. Die will uns, so alles gut geht,

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