Die Markgräfin
hatte sie ausgeschlagen. Beide Hände schützend über die Wölbung ihres Leibes gelegt, hatte sie beobachtet, wie drunten einige Soldaten ein hölzernes Gestell zusammengezimmert und mehrere Pflöcke in den gefrorenen Boden geschlagen hatten. Das Schlossgesinde stand unschlüssig in Grüppchen herum; die Weiber flüsterten, und die Männer machten ernste Gesichter. Ein Trupp von vielleicht zwölf oder fünfzehn Söldnern marschierte durch das Innere Tor in den Hof und stellte sich mit aufgepflanzten Piken rund um den Richtplatz auf.
Die Tür neben dem Schneckenturm öffnete sich,
und die beiden Wächter mit Jakob Tiefenthaler in der Mitte traten ins Freie. Sie hatten den Verurteilten, dem schon auf der Wendeltreppe die Knie weich geworden waren, links und rechts untergehakt, um ihn zur Not am Fallen zu hindern. Mit unsicheren Schritten ließ sich der junge Geistliche zu der vorbereiteten Stelle lenken. Barbara erschrak vor seinem Anblick. Sie hoffte, er würde zu den Spitzbogenfenstern hinaufschauen, aber er sah starr geradeaus. Sie öffnete den Mund, um ihn zu rufen, doch es kam kein Ton aus ihrer Kehle.
Schließlich war das Dreiergrüppchen dort angekommen, wo die Pflöcke in den Boden geschlagen waren. Die beiden Wächter drückten Tiefenthaler mit sanfter Gewalt in die Knie und legten ihn dann auf den Rücken. Sie banden seine Hand- und Fußgelenke jeweils an einen der Holzpflöcke, sodass er in gespreizter Position rücklings auf dem Boden lag. Dann traten sie zurück.
Derweil hatte sich die Menge der Landsknechte zu einer Gasse geteilt, um den Henker durchzulassen. Die Rolle des Scharfrichters hatte einer der engsten Gefolgsleute des Markgrafen übernommen, ein triefäugiger Hüne, der schon zu der Truppe gehört hatte, die den Rachefeldzug gegen den von Trockau und die beiden Wirsberger mitgemacht hatte. Im Unterschied zu einem berufsmäßigen Henker hatte der Soldat keine rote oder schwarze Kleidung an, sondern seine
ganz normale Landsknechtsuniform. Über seiner rechten Schulter hing ein großes Wagenrad.
Jetzt erst gellte Barbaras Schrei über den Schlosshof. Tiefenthaler drehte den Kopf, sodass er sie sehen konnte. Einen Augenblick lang verschmolzen ihre Blicke. Dann schloss er die Augen. Zwischen seinen Beinen hatte sich ein nasser Fleck ausgebreitet, und Barbara spürte seine Scham, als ob es ihre eigene sei. Im nächsten Moment war der Scharfrichter über ihm, hob mit beiden Händen das schwere Rad und ließ es mit aller Kraft auf Tiefenthalers linken Oberarm niedersausen. Es krachte, als die Knochen splitterten, und die Umstehenden seufzten auf. Tiefenthalers Augen schienen aus den Höhlen zu treten, und seiner Kehle entrang sich ein schriller, ungläubiger Schmerzensschrei. Das Rad hob sich erneut in die Luft, um diesmal den Unterarm zu zertrümmern. Wieder und wieder donnerte das eisenverstärkte Mordinstrument auf die ausgebreiteten Glieder des Todgeweihten, während Tiefenthaler sich in den Fesseln anspannte und wie ein Tier seine Qual hinausbrüllte. Blut sickerte durch Hemdsärmel und Hosenbeine dort, wo die gebrochenen Knochenspitzen das weiche Fleisch durchstießen. Ein blutjunger Landsknecht, der direkt neben dem Henker stand, erbrach sich würgend unter dem Gelächter seiner abgebrühteren Kameraden, als Tiefenthaler endlich, kurz bevor der Henker als Letztes den rechten Arm in Angriff nahm, in die
barmherzige Ohnmacht fiel, die Barbara verzweifelt und stumm für ihn herbeigefleht hatte.
Als der Henker fertig war, kappten die beiden Wächter die Seile, mit denen Tiefenthaler festgebunden war. Wie eine Puppe mit baumelnden Gliedmaßen wuchteten sie den Bewusstlosen auf das Wagenrad, das der vor Anstrengung schnaufende Henker inzwischen auf den Boden gelegt hatte. Nachdem er sich kurz an einem Trunk Wein erfrischt hatte, kam er rülpsend wieder hinzu und flocht die zerschmetterten Arme und Beine durch die Speichen, bis Tiefenthalers Körper darin verwunden und verkrümmt wie in einem Spinnennetz verfangen war. Dann richteten mehrere Männer das Rad mit seiner lebendigen Last auf und befestigten es schräg an dem vorbereiteten Gestell.
Es dauerte eine gnädige Stunde, bis der Gepeinigte wieder aus seiner Ohnmacht erwachte. Eine Stunde, während der die Markgräfin wie erstarrt und tränenlos an ihrem Fenster ausgeharrt und dem pfeifenden Atmen zugehört hatte. Ihr war, als ob sie mit jeder Faser ihres Körpers den Schmerz spürte, der den Sterbenden quälte.
Die Zuschauer hatten sich
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