Die Markgräfin
sie auflösen lassen, wegen mangelnder Vollstreckung sozusagen. Er beantragt also die Scheidung beim Papst in Rom.«
Kleinert, der als bekennender Katholik an die Unauflöslichkeit der Ehe glaubte, regte sich auf. »So ein Windhund, so ein windiger. Aber da wird ihm der Papst einen Strich durch die Rechnung gemacht haben, oder?«
Götz blätterte in seinen Notizen. »Zunächst ja. Aber dann, 1542 , nach kaum einmal dreizehn Jahren Ehe, tritt Barbara selber auf den Plan.«
»Wird ja auch Zeit, dass die was unternimmt«, meinte Geli Hufnagel düster. »Was tut sie denn?«
»Sie bittet den Papst um die Auflösung der Ehe.
Und außerdem kommt noch eine Liebesgeschichte hinzu: Da gibt es einen fränkischen Niederadeligen, den Ritter Konrad von Heideck. Dem hat sie heimlich die Ehe versprochen, obwohl er unter ihrem Stand ist. Na, jedenfalls schreibt sie an den Heiligen Stuhl um Dispens … «
Haubold runzelte die Stirn. »Die traut sich ganz schön was! Lehnt sich gegen die Familienräson auf. Respekt! Offenbar wollte sie nach allem, was passiert war, kein Objekt von Vermögensspekulationen mehr sein.«
»Vielleicht sieht so ein Versuch der Emanzipation im sechzehnten Jahrhundert aus«, meinte Geli Hufnagel. »Sie hatte wohl keine Hoffnung auf gütliche Einigung mehr und wollte einfach ihr eigenes Leben leben.«
»Kann schon sein.« Götz, der gerade allen heißen Punsch nachgeschenkt hatte, griff wieder zu seinen Aufzeichnungen. »Die zollerische Korrespondenz, die Höfler in seinem Büchlein ausgewertet hat, zeigt nun Folgendes: Albrecht Alkibiades erfährt von Barbaras neuen Heiratsplänen und ihrem Gesuch an den Papst. Er muss furchtbar getobt haben, das geht aus Briefen hervor. Daraufhin drohte sie mit Selbstmord. Genützt hat’s ihr nix, denn am Ende – und jetzt wird’s für uns interessant – wird sie auf die Plassenburg gebracht und dort eingesperrt.«
»Na bitte, da haben wir’s!« Kleinert haute triumphierend
auf den Tisch, dass die Plätzchen auf dem Teller hüpften. »Jetzt wissen wir, warum sie auf der Burg war. Stubenarrest sozusagen, wegen ungebührlichen Verhaltens gegen die Familieninteressen.«
Geli Hufnagel stellte empört ihre Punschtasse ab. »Sie sind vielleicht zynisch, Chef! Die Ärmste war bestimmt völlig verzweifelt. So wie ich das verstanden habe, stand diese Barbara ganz und gar rechtlos da und man hat ihr übel mitgespielt. Und jetzt, wo sie sich wehrt, wird sie von ihrem eigenen Bruder eingesperrt. Mein Gott, das ist ja tragisch!«
»Liebe Frau Hufnagel«, wehrte sich Kleinert, schon ein bisschen beschwipst vom Punsch, »das ist mir schon klar. Aber als Historiker muss man seine Emotionen unter Kontrolle haben. Distanz nennt man das. Meinen Sie, diese Barbara war in dieser Zeit die Einzige, die unter der Heiratspolitik der Oberschichten gelitten hat? Tausende wurden damals verschachert und verkauft, wegen ein paar Hufen Land oder ein paar Gulden mehr oder weniger. Töchter waren in adeligen Familien nichts anderes als Kapitalanlagen – wenn sie gut verheiratet wurden. Wenn nicht, gab es nur eines, nämlich das Kloster. Und ob die Frauen da glücklicher waren?«
Fleischmann legte ob dieser Moralpredigt tröstend den Arm um Gelis runde Schultern. »Sei froh, dass du im Zeitalter der Frauenemanzipation lebst, Moggel.«
Sie seufzte resigniert. »Also, macht schon weiter«, meinte sie zu Götz.
»Tja, Albrecht Alkibiades war natürlich nicht untätig in der Angelegenheit der böhmischen Ehe. Er verhandelte so lange mit Wladislaus, bis ihm dieser statt der fünfzigtausend Gulden, die ja eigentlich Barbara hätte bekommen sollen, schlesische Ländereien überschrieb. Was der Böhme von Rechts wegen gar nicht hätte tun dürfen, weil das Testament Heinrichs von Glogau eben ausdrücklich Barbara als Erbin eingesetzt hatte. Dafür gab Albrecht, jetzt also stolzer Besitzer von fetten Domänen im Osten, nun seine Einwilligung zur Scheidung, die dann auch stattfand. Gleichzeitig hat man Konrad von Heideck dazu gebracht, die Verlobung mit Barbara zu lösen.«
»Hmm, das war dann wohl Tabula rasa«, stellte Kleinert fest.
»Sozusagen.« Götz zog sein Taschentuch und tupfte sich die Stirn ab, weil er beim Referieren ins Schwitzen gekommen war. »Die ganze Affäre fand also im Jahr 1545 ihren Abschluss, nach kaum einmal sechzehn Jahren. Und damit Ende des Vortrags!«
»Wieso Ende?«, fragte Geli verdutzt. »Wurde die Markgräfin – Herzogin – Königin dann freigelassen? Und was ist
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