Die Markgräfin
schau her«, kommentierte Kleinert, »eine Fränkin!« Götz warf ihm einen tadelnden Blick zu und sprach weiter.
»Im Jahr 1525 wurde das Mädchen aus politischen Gründen mit dem alten Herzog Heinrich von Groß-Glogau und Crossen verlobt. Es ging damals um eine politische Einflussnahme der fränkischen Markgrafen in Schlesien, also die Anwartschaft des Hauses Brandenburg auf schlesische Ländereien. Denn der Herzog war bisher kinderlos, und die Herrschaft würde nach seinem Tod Barbara oder ihren Kindern zufallen. Die Ehe wurde 1527 geschlossen.«
»Stopp!«, unterbrach Geli Hufnagel seinen Erzählfluss. »Da war diese Barbara doch erst zehn Jahre alt!«
Haubold nickte. »Verbindungen Minderjähriger waren damals beim Adel gang und gäbe. Es ging einfach um die Politik, um den Einfluss der Familie. Solche Ehen wurden zwar früh geschlossen, aber erst bei Erreichen der Geschlechtsreife vollzogen.«
»Und genau das war das Problem«, fiel Götz wieder ein. »Der Herzog Heinrich von Groß-Glogau starb dummerweise schon zwei Jahre später, ohne dass die Ehe vollzogen worden wäre. Barbara kehrte als
Witwe nach Ansbach zu ihrer Familie zurück, zwar kinderlos und als Jungfrau, aber immerhin mit einer testamentarischen Anwartschaft auf das schlesische Erbe. Und gerade mal ein halbes Jahr später wurde sie zum zweiten Mal verheiratet, diesmal per procurationem mit dem jungen König Wladislaus Jagiello von Böhmen.«
»Eine Formalehe also«, resümierte Fleischmann. »Per procurationem heißt, dass bei der Zeremonie der König nicht selber dabei war, sondern von einem seiner Adligen vertreten wurde«, klärte er Geli über den historischen Fachbegriff auf.
»Wieso hat der Böhmenkönig überhaupt Interesse an ihr gehabt?«, wunderte sich Kellermann. »Sie war doch bloß Markgräfin beziehungsweise Herzoginwitwe.«
»Weil sie die rechtmäßige Erbin von Groß-Glogau-Crossen war. Wladislaus wollte sich damit die schlesischen Nachbarlande sichern. Und für die Markgrafen war eine Königskrone natürlich ein enormer Prestigegewinn. Aber bevor die kleine Barbara, jetzt also nominell Königin von Böhmen, zu ihrem Mann nach Prag reisen konnte, tauchte plötzlich ein Rivale im Kampf um die böhmische Krone auf: König Matthias von Ungarn. Es kam zum so genannten Glogauer Erbfolgestreit, der im Olmützer Frieden endete. Wladislaus tritt darin unter anderem das Herzogtum Groß-Glogau, das ja eigentlich seiner Frau gehört,
an Matthias ab. Der verspricht dafür, Barbaras Erbansprüche mit fünfzigtausend Gulden abzulösen. Damit aber ist die zollerische Ehe für Wladislaus völlig uninteressant. Er verweigert ihre Annahme, und sie muss in Ansbach bleiben.«
»So eine Gemeinheit.« Geli Hufnagel war empört. Aufgeregt kaute sie an ihrem Plätzchen. »Das Mädchen wird ja hin und her geschoben wie eine Schachfigur. Und die Männer verkitschen dabei ihr Erbe.«
Fleischmann streichelte vertraulich ihren Oberschenkel. »Frauen hatten damals halt nichts zu sagen. Sie waren dazu da, den Familieninteressen zu dienen. Ob sie dabei glücklich waren oder nicht, war vollkommen egal.«
Götz fuchtelte mit der rechten Hand. »Wartet’s nur ab, es kommt noch schlimmer. Als am Ende klar wird, dass die Aufrechterhaltung der Ehe nicht möglich ist, tritt Barbaras Bruder auf den Plan. Den kennt ihr alle: Markgraf Albrecht Alkibiades, der später die Landesherrschaft in Kulmbach übernimmt. Der üble Charakter verzichtet eigenmächtig in Barbaras Namen auf die fünfzigtausend Gulden und bekommt dafür von König Matthias von Ungarn die schlesischen Güter Crossen, Züllichau, Sommerfeld und Bobersberg als Pfand. Damit war die böhmische Ehe nicht mehr das Papier wert, auf dem sie stand.«
»Schweinerei.« Auch Haubolds Gerechtigkeitsempfinden war nun empfindlich gestört. »Da hat der
Bruder also Barbaras Leibgeding kassiert, obwohl das rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre. Und kommt auch noch damit durch. Sieht ihm ähnlich, dieser Kanaille!«
»Und Barbara – konnte die sich denn überhaupt nicht wehren?« Geli Hufnagel schüttelte ungläubig den Kopf.
»Sie war keine Rechtsperson.« Götz hob bedauernd die Schultern. »Jetzt hört nur weiter: Mitten in der ganzen Affäre stirbt König Matthias von Ungarn und hinterlässt eine Witwe. Und genau diese Witwe will Wladislaus Jagiello jetzt heiraten, um zur böhmischen auch noch die ungarische Krone zu bekommen. Da ist ihm die Ehe mit Barbara natürlich furchtbar im Weg und er will
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