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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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jetzt mit der eingemauerten Kinderleiche und mit dem Pokal?«
    Götz kratzte sich ausgiebig hinter dem linken Ohr. »Das ist eben das Blöde. Nach Beendigung der Ehe
und der Verlobung finden sich keinerlei Informationen über Barbara mehr. Höfler schreibt, sie lässt sich danach einfach nicht mehr nachweisen. Kein Briefverkehr, keine Rechnungen, keine Urkunden. Nicht einmal ein Todesdatum existiert. Er geht davon aus, dass sie auf der Plassenburg blieb und vielleicht bei deren Eroberung im Jahr 1554 ums Leben kam. Wer weiß?«
    Haubold holte tief Luft und rieb sich die Hände. »Liebe Leute, die Spur, die wir verfolgen, wird immer heißer. Ich persönlich glaube ja, dass wir hiermit unsere Kindsmutter gefunden haben … «
    » … was noch zu beweisen wäre«, unterbrach Kleinert.
    Der Kastellan richtete sich in seinem Sessel auf und piekste Kleinert mehrmals mit dem Zeigefinger gegen die Brust. »Wart’s nur ab, mein Lieber, wart’s nur ab!«

Plassenburg, Ende Mai 1554
    Elisabeth Buckler fasste einen Lumpen und hob damit den Topf mit der siedenden grünlichen Flüssigkeit vom Feuer. Vorsichtig trug sie ihn in den Bretterverschlag, der ihr seit dem Konraditag als Unterschlupf diente. Zusammen mit den anderen Stadtbewohnern
war sie nun schon vor über sechs Monaten von Kulmbach aus zur Burg hinauf geflüchtet, und sie hatte zu den wenigen Glücklichen gehört, denen es gelungen war hineinzukommen. Die Bucklerin, wie sie von allen genannt wurde, war eine hoch gewachsene, kräftige Frau von vielleicht fünfundvierzig Jahren. Ihr dichtes, schulterlanges Haar war schlohweiß seit jenem Tag, als sie bei einem Hochwasser des Mains ihren Mann und ihre drei kleinen Kinder verloren hatte. Aber sie war eine starke Persönlichkeit, die sich vom Leben nicht niederringen ließ. Schon ihre Mutter und ihre Großmutter waren kräuterkundig gewesen und hatten in der Stadt allen, die sich den studierten Physikus nicht leisten konnten, in Krankheit und Unglück beigestanden. Und sie waren auch geschickte Geburtshelferinnen – ein Gebiet, auf das sich die gelehrten Doctores der Medizin nicht wagten oder nicht wagen wollten. Die Bucklerin hatte das Wissen ihrer Ahnfrauen geerbt, und die Umsicht und Geschicklichkeit, mit der sie ihren Beruf der Hebamme ausübte, hatten ihr in Kulmbach zu Ansehen verholfen. Jetzt, auf der Burg, kamen die Leute täglich zu ihr, wenn sie krank oder verletzt waren, und sie hatte auch schon etlichen Kindern auf die Welt geholfen. Zum Glück war es ihr gelungen, bei der Flucht ihren kostbarsten Besitz mit auf die Burg zu retten: das Hebammenbündel mit allen Instrumenten und Utensilien sowie einen guten Vorrat an getrockneten Kräutern und Wurzeln.
    »So, Urschel, jetzt geh her. Jetzt machen wir, dass das schlimme Beißen aufhört.«
    Ein kleines, mageres, völlig dreckverkrustetes Mädchen hielt ihr mit ängstlichem Blick die dick geschwollenen Hände hin. Die Bucklerin untersuchte mit gerunzelter Stirn die aufgekratzten und eitrig entzündeten Fingerzwischenräume, die schorfigen Pusteln und die rote Schwellung, die sich bis zu den Handgelenken ausgebreitet hatte. Kinder hatten immer die Krätze, das war nun mal so, aber bei dieser Kleinen, die ohnehin schon vom Hunger und Durchfall geschwächt war, schien die böse feuchte Hitze in die offenen Wunden gekommen zu sein und drohte sich jetzt über den ganzen Körper auszubreiten. Die Bucklerin tauchte ein sauberes Tuch in den heißen Absud aus Faulbaumrinde und Schafgarbe und reinigte die Wunden. Dann schmierte sie eine Salbe aus Labkraut, Rainfarn und zerquetschter Hauswurz in Gänseschmalz auf die Hände des Mädchens und stülpte zwei wollene Strümpfe darüber, die sie an den Gelenken zuband. Auf ihrer Stirn zeigte sich eine sorgenvolle Falte. Sie hatte schon mehr als ein Kind an der Blutvergiftung sterben sehen, die solche infizierten Kratzwunden nach sich zogen.
    »Das Jucken wird bald besser, Mockele. Und jetzt darfst du nicht mehr kratzen, hörst du? Das ist ganz wichtig, merk dir’s, sonst geht die feuchte Hitz nicht weg. Und hier, einen Becher von dem Absud geb ich
dir mit – er hilft auch gegen die Läus, davon hast auch nicht grad wenig. Deine Mutter soll im Hof Efeublätter sammeln und mit hineintun. Und horch, wenn’s schlechter wird oder du gar siehst, dass von der Hand ein roter Strich den Arm hinaufwandert, dann musst du wieder zu mir. Hast du verstanden?« Sie sah das Kind ernst und durchdringend an. Die Kleine nickte und deutete auf

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