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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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ein Bündelchen, das sie in einer Ecke abgelegt hatte.
    »Da drin ist ein halber Krautskopf und ein Stück Käs, das schickt die Mutter.«
     
    »Seid Ihr die Els Bucklerin?« Kätha hielt sich die Seite vom schnellen Rennen. Sie hatte sich durch die halbe Burg nach der Hebamme durchgefragt.
    »Was gibt’s?«
    »Meine Herrin liegt in den Wehen. Das Kind kommt zu früh, schnell!«
    »Wer ist deine Herrin?«
    Susanna drängte. »Die Markgräfin Barbara, bitte beeilt Euch.« Sie zog die Bucklerin am Ärmel.
    »Markgräfin? Und da holt ihr eine wie mich?« Die Hebamme schüttelte den Kopf. »Na, mir soll’s recht sein. Beim Kinderkriegen sind sie alle gleich, hochwohlgeboren oder nicht.« Sie legte Messer und Krautskopf zur Seite und holte aus einer dunklen Ecke ihre Hebammentasche. »Geh voraus, Mädchen.«
    Die beiden hasteten quer über den Zwinger, drängten
sich durch die Landsknechtsfrauen und ihre Kinder, die hier um zwei große Feuer lagerten und das Nachtessen aus den letzten Linsenvorräten vorbereiteten. Der Geruch von Zwiebeln und ranzigem Fett mischte sich mit den säuerlichen Ausdünstungen der Menschen.
    Die Männer waren noch auf ihren Kampfposten. Es zischte, und ein Brandgeschoss zog seine Bahn von irgendwoher und traf mit einem dumpfen Plopp vor den beiden Frauen in einen Haufen Lumpen, der sofort zu lodern begann. Ein paar Weiber waren zur Stelle und löschten die Flammen mit feuchten Fellen, Feuerpatschen und Wasser aus den überall bereitstehenden Ledereimern. Alle starrten vor Dreck und sahen eingefallen und elend aus, dachte Kätha, besonders die Kinder. Um die Feuer lagen die Kranken und Schwachen; sie hatten Skorbut wegen der schlechten Kost, Husten mit blutigem Auswurf, Durchfälle und Fieber. Stöhnen und Gemurmel waren zu hören. Der widerliche Gestank von Krankheit und Tod umgab alles. Vor einigen Tagen waren die ersten Sterbefälle wegen Masern aufgetreten, und die Krankheit drohte sich auszubreiten. Kätha stolperte über eine bis auf Haut und Knochen abgemagerte Katze, deren Fell von der Räude in Fetzen hing. Sie war entsetzt über das, was sie im Zwinger sah – im inneren Schloss, wo das Burggesinde bisher unter sich geblieben war und keine Landsknechte lagern durften, herrschte
dagegen immer noch eine fast heile Welt. Sie hatten zwar schon lange kein frisches Fleisch mehr und die Portionen an Rauchspeck, Schmalzfleisch und saurem oder Salzfisch waren jämmerlich klein geworden, aber an Brot und Trockengemüse wie Linsen, Bohnen und Erbsen war noch genug zum Sattessen da. Kätha atmete auf, als sie das Innere Tor passierten und den Sagarach erreicht hatten.
    »Seit wann geht es den Leuten da draußen so … schlecht?«, fragte sie die Hebamme, die ihr schweigend bis hierher gefolgt war.
    Die Bucklerin grunzte verächtlich. »Lang wird’s nicht mehr dauern, dann krepieren sie alle. Ihr im Schloss seid wohl besser dran, was?«
    Kätha senkte beinahe schuldbewusst den Kopf. Spätestens jetzt war ihr klar geworden, dass die Belagerung schon viel zu lange dauerte und die Dinge zum Schlimmsten standen. Womöglich lag die Kapitulation schon in greifbarer Nähe. Ihr schauderte. Was würde mit ihr geschehen, mit Susanna, der Markgräfin? Drohte ihnen Tod, Folter, Vergewaltigung? Sie wurde von Furcht gepackt, aber dann riss die Stimme der Bucklerin sie aus ihren Gedanken.
    »Wohin, Mädchen? Kannst du deine fünf Sinne nicht beieinander halten? Lauf, sonst kommen wir noch zu spät!«
    Kätha rannte voraus durch den Hof, durch die nächste Tür im Ostflügel, die Treppen hoch, die
Gänge entlang bis zur Kemenate. Der Wächter hielt den beiden Frauen wortlos die Tür auf. Drinnen brannten Wandfackeln und Röhrenleuchter, obwohl die Dunkelheit noch nicht angebrochen war, und auch der Kamin war geschürt. In einer Ecke des Raumes wartete der Gebärstuhl – ein breiter Sessel mit schräger Lehne und hufeisenförmig ausgeschnittener Sitzfläche. Lorenzo Neri hatte ihn notdürftig aus den Resten alter Stühle gebastelt. Die Bucklerin runzelte die Stirn, als sie des Geräts ansichtig wurde. Solchen Luxus war sie nicht gewohnt.
     
    Die Markgräfin lag halb aufrecht im Bett, den keilförmigen Pfulm in ihrem Rücken. Schweißperlen glänzten auf ihrer Stirn, und sie atmete stoßweise. Mit drei Schritten war die Hebamme bei ihr, hob die Decken und betastete mit kundigen Händen den hochgewölbten Leib.
    »Wie viele Atemzüge zwischen den Wehen?«
    »Fünfzig.« Barbara keuchte. Eine weitere Welle des

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