Die Markgräfin
lehnte und fast eingeschlafen wäre. Nicht mehr lang, und die Sonne würde aufgehen. Sie rieb sich die
Augen und hastete zum Kamin, wo über einem Gestell vor dem Feuer trockene Tücher zum Anwärmen hingen.
Als sie zurückkam, war bereits das Köpfchen des Kindes zu sehen. Die Bucklerin hatte ihren Platz vor dem Geburtsstuhl eingenommen, um das Neugeborene aufzufangen. Die Presswehen kamen in dichter Folge, und nach zwölf anstrengenden Versuchen glitt das Kind von einer Sekunde auf die andere in die ausgebreiteten Hände der Hebamme.
»Heilige Maria und alle vierzehn Nothelfer, gelobt sei Gott, da haben wir’s!« Die Bucklerin band mit einem Faden die Nabelschnur ab und zwickte sie dann mit einer eisernen Schere durch. Dann griff sie beide Füße des Kindes, doch bevor sie es kopfunter halten konnte, fing es schon an zu schreien. Sie grunzte zufrieden und legte das Neugeborene in Käthas Arme, die schon mit den warmen Tüchern bereit stand. Dann ging sie erneut vor dem Gebärstuhl in die Knie.
»Ein Bub, meine Kleine, das hast du gut gemacht.«
Barbara lächelte mühsam, atmete durch und begann sich zu entspannen. »Gott sei’s gedankt.« Dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck hin zu erschreckter Überraschung. »Was … was ist jetzt?« Eine neue Schmerzwelle erfasste sie.
Die Bucklerin nickte grimmig. »Hab ich doch Recht gehabt. Da kommt noch eins. Drück, schnell!«
Und ein zweiter Säugling landete glitschig in ihren
Armen, wieder ein Junge. Er sah genau wie der erste aus, runzlig, rot, mit weißlicher Käseschmiere bedeckt und mit einem feuchten dunklen Haarschopf. Die Bucklerin nabelte auch ihn ab, aber im Gegensatz zu seinem Zwillingsbruder schrie er nicht. Unnatürlich still lag er in Susannas Armen und bewegte sich nicht. Um die geschlossenen Augen und die Lippen begann die Haut bläulich anzulaufen. Kätha, die das erste Kind wiegte, gab einen ängstlichen Laut von sich.
»Was ist mit ihm? Ist es … « Sie wagte nicht, ihren Gedanken auszusprechen. Die Bucklerin schob sie zur Seite und öffnete noch einmal ihre Hebammentasche. In der Eile fiel ein Teil des Inhalts heraus: Kräuterbüschel und Salben, Fläschchen mit Ölen und Tinkturen, Stielhaken und Schneidsichel, mit denen nötigenfalls ein totes Kind im Leib der Mutter zerstückelt und herausgeholt werden konnte, um das Leben der Frau zu retten. Die Hebamme kramte fieberhaft in dem Durcheinander, bis sie fand, was sie gesucht hatte: ein Stück biegsames Schilfrohr, so lang wie ihr Zeigefinger. Sie blies einmal kurz durch das Röhrchen und schob es dann tief in ein Nasenloch des zweiten Zwillings, der wie tot wirkte. Dann nahm sie das andere Ende in den Mund und saugte vorsichtig. Ein Schleimpfropf löste sich hörbar, und die Bucklerin spuckte aus. Das Neugeborene tat einen tiefen ersten Atemzug und fing dann an, aus Leibeskräften zu brüllen. Das bläuliche Gesichtchen lief krebsrot an.
»Halleluja, mein kleiner Bursch, das hättst du geschafft!«
Die Bucklerin hockte sich zufrieden einen Augenblick ins Stroh und verlangte nach einem Schluck zu trinken. Dann wusch sie die beiden Säuglinge in warmem Wasser, trennte die Nabelschnur jeweils vier Fingerbreit lang ab und bandagierte den Nabel mit einem Baumwolltuch, das in Myrrhenöl getränkt war. Anschließend braute sie für die Markgräfin, die inzwischen in einen tiefen Erschöpfungsschlaf gefallen war, einen Aufguss aus Hirtentäschel, Wiesenknopf und Mönchspfeffer. Der Tee sollte Nachblutungen verhindern und das Zusammenziehen der Gebärmutter beschleunigen. Schließlich legte sie sich auf Susannas Bett und gönnte sich ebenfalls ein bisschen Schlaf.
Kätha steckte den Kopf zur Tür hinaus. »Hansi, bist du da?«
Ihr kleiner Bruder wieselte aufgeregt um die Ecke. »Und? Alles in Ordnung? Erzähl!« Vorwitzig versuchte er, einen Blick nach drinnen zu erhaschen, aber Kätha schubste ihn weg. »Lauf zu Vater Thiel, du neugieriger Nichtsnutz, und sag ihm, er soll zur Taufe kommen. Ab mit dir! Und dass euch keiner sieht!«
Hansi machte einen begeisterten Luftsprung und rannte davon. Zehn Minuten später tauchte er wieder auf; der Kaplan folgte ihm im Laufschritt.
Drinnen war alles friedlich. Susanna entfernte gerade
das blutige Stroh mit der Nachgeburt und warf alles aus dem Fenster. Die Zwillinge schliefen nebeneinander in einem Korb. Thiel trat heran und betrachtete die beiden Säuglinge, denen Albrecht schon im Mutterleib den Tod prophezeit hatte. Er sah es als eine Ironie
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