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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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fränkisches Fürstentum hab ich verloren, aber die schlesischen Länder, die bleiben mir noch. Wer hätte damals gedacht, dass das Erbe meiner Schwester einmal mein einziger Besitz sein würde?« Albrecht ließ sich im Sessel nach hinten sinken und kicherte.
    »Und deshalb willst du sie und das Kind nicht am Leben lassen?« Georg atmete einmal tief durch.
    »Das Testament ihres ersten Mannes, das diese Ländereien ihr und ihren Nachkommen zuschreibt, ist niemals für nichtig erklärt worden. Wenn sie jetzt mit ihren Ansprüchen vors Reichskammergericht geht – und dafür wird der schlesische Adel schon sorgen, der nur darauf wartet, mich loszuwerden –, verlier ich auch noch Schlesien. Und dann wohin, mein Freund?«
    »Aber das Kind?«
    »Das Kind ist wiederum ihr rechtmäßiger Erbe, auch wenn es ein Bastard ist. Aber das ist nicht der einzige Grund. Nein, der Bankert muss sterben, damit endlich der Fluch von mir weicht. Meine Beine tun derzeit wieder ihren Dienst, wer weiß, wie lang diesmal, aber dafür kann ich den linken Arm fast
nicht bewegen. Und schau mein Gesicht an: Die linke Seite ist taub und ohne Gefühl.«
    Seine Augen nahmen einen wilden, panischen Ausdruck an. Er packte den Hauptmann beschwörend am Hemd. »Georg, die Reliquie hat ihre Wirkung verloren. Seit Monaten träume ich jede Nacht von diesem Kind – eine ekle Missgeburt ist es, wächst zur Größe eines Riesen, bekommt Furcht erregende spitze Krallen, bluttriefende Reißzähne wie ein Wolf, und es greift mich an. Das gräuliche Ungeheuer schlägt seine Fänge in meinen Hals, reißt mir die Haut vom Leib, bricht meine Knochen und schlürft das Mark! Ich schreie, würge, bekomme keine Luft mehr, verblute. Es ist grauenvoll. Dann wache ich jedes Mal schweißgebadet auf und finde keinen Schlaf mehr.« Er griff sich an den Kopf, als ob etwas darin zerspringen wollte, stöhnte und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Solange die Brut dieses Satans lebt, werd ich nicht geheilt sein. Ich weiß es einfach.«
    Lange Zeit sagte keiner mehr ein Wort. Albrecht hatte mit geschlossenen Augen den Kopf zurückgelegt, während Georg unruhig im Zimmer auf und ab ging. Schließlich blieb er hinter dem Sessel des Markgrafen stehen.
    »Und was wird dann aus dir?«, fragte er leise. »Wo willst du hin?«
    »Danach geh ich für eine Weile nach Frankreich. Die Sache ist mit dem Franzosenkönig schon abgemacht.
Und wenn sich im Reich die Dinge beruhigt haben und meine Acht aufgehoben ist, setz ich mich in Schlesien zur Ruhe.«
    »Wirst du mich mitnehmen?«
    Albrecht setzte sich auf und drehte sich zu Georg um. »Kann ich dir denn trauen?«
    Der Hauptmann fühlte sich zu Unrecht angegriffen. »Das fragst du? Du weißt, dass meine Treue zu dir grenzenlos ist.«
    »Ist sie das? Du hast mir nicht gesagt, dass Barbara in die Verschwörung verwickelt war, und du hast nichts gegen sie und ihren Sohn unternommen, obwohl du meinen Befehl kanntest. Sieht so deine Treue aus?«
    Georg schaute Albrecht ungläubig an. Langsam richtete er sich auf und ging mit schweren Schritten zur Tür. Bevor er hinausging, rief ihn Albrecht zurück. »Schick mir zwei zuverlässige Landsknechte, damit ich das Kind holen kann.«
     
    Im Frauenzimmer saßen alle bei der kärglichen Frühsuppe – einer trüben Wasserbrühe, die mit Graupen und grobem Mehl angereichert war. Nur Barbara, die sich von der Geburt nur langsam erholte, bekam jeden Morgen zusätzlich einen Becher kräftigende Ziegenmilch. Das Tier, das sich inzwischen in der Ecke neben dem Kamin heimisch fühlte und täglich zweimal gemolken wurde, kaute auf ein paar Strohhalmen
und schmatzte dabei zufrieden. Die beiden Säuglinge schliefen friedlich nebenan, nachdem sie gerade ihre Ration Milch bekommen hatten und frisch gewickelt worden waren. Entgegen Barbaras anfänglichen Befürchtungen gediehen sie auch ohne Muttermilch prächtig. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen mit ihren dunklen, flauschigen Babyhaaren und den großen blaugrauen Augen. Beide hatten neben dem rechten Nasenflügel ein kleines dunkles Muttermal und im Nacken die rötlichen Flecken eines »Storchenbisses«, die nach ein paar Monaten verschwinden würden.
    Die Markgräfin hing mit abgöttischer Liebe an ihren Kindern. Anders als die adeligen Mütter der Zeit, die ihre Babys nach der Geburt üblicherweise in die Obhut einer Amme gaben und sich danach kaum noch mit ihnen beschäftigten, verbrachte sie jede Stunde mit ihnen. Sie wusste, es war ein Geschenk auf

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