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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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nahm den kleinen Pokal und steckte ihn unter ihr Brusttuch.
    »Dank Euch, Liebden. Ich wünsch Euch viel Glück, und den Kindern auch. Wenn Gott will, wird alles gut.«
    Sie streichelte der Markgräfin über die Wange,
herzte die zwei Buben und verließ die Kemenate, um wieder in ihr schmutziges Losament im Elend des Zwingers zurückzukehren.

Plassenburg, Neujahrstag 2003
    »Also tschüss, ich geh dann mal zum Frauenfrühstück!«
    Susanne Haubold steckte den Kopf zur Bürotür herein. Der Kastellan saß an seinem Schreibtisch und haderte mit der Welt, genauer gesagt mit der Ananasbowle, von der er an Silvester ein bisschen zu viel erwischt hatte. Jetzt hatte er Schädelbrummen und einen flauen Magen, wo er doch heute endlich die Jahresabrechnung machen wollte.
    »Nur zu«, sagte er. »Hast du auch den Hausschlüssel dabei? Ich geh später nämlich ein Stündchen spazieren.«
    Susanne kramte in ihrer Handtasche.
    »Ach, da hab ich ja was für dich.« Sie legte Haubold einen etwas knittrigen Umschlag auf den Schreibtisch. »’tschuldigung. Den hab ich vorgestern beim Briefkastenausleeren versehentlich eingesteckt und dann vergessen.« Sie klimperte mit dem Hausschlüssel. »Na, da isser ja. Du, und Mittagessen für euch drei steht im Kühlschrank – Reisbrei mit Mandarinen.
Musst du bloß noch in die Mikrowelle stecken. Bis dann.«
    »Viel Spaß!« Haubold stand auf, ging in die Küche und nahm ein Aspirin.
    Mein Gott, dachte er, wenn ich mir überlege, wie ich früher Silvester gefeiert habe. Bier, Wein, Schnaps, jede Menge Apfelkorn und drei Päckchen filterlose Zigaretten, und das bis früh um vier. Und jetzt? Kaum einmal acht Gläschen Bowle, mit den Kindern um halb eins ins Bett und trotzdem halb tot. Muss das Alter sein.
     
    Resigniert stapfte er zurück ins Büro und ließ sich wieder am Schreibtisch nieder. Vor ihm lag ein riesiges Durcheinander an Rechnungen, Quittungen und Belegen und glotzte ihn freudlos an. Sein Blick fiel auf den Umschlag, den Susanne dagelassen hatte, und mit einem Mal wurde er hellwach. Der Brief kam von der Landesstelle für Nichtstaatliche Museen in München.
    »Na endlich, Mensch.« Haubold rieb sich die Hände. Das musste das Gutachten über den Ring sein, den das Skelett im Geheimgang am Finger getragen hatte. Noch vor Weihnachten hatte er in München angerufen und um Informationen nachgefragt, weil sich die Sache schon zu lange hinzog. Weinzierl, dieser Schnarchzapfen, hatte garantiert vergessen, ihm die Expertise zuzuschicken. Na, jetzt war sie ja da. Der Kastellan schob den spitzen Brieföffner in den
Umschlag und schlitzte mit Schwung. Dabei traf er den großen bleikristallenen Briefbeschwerer, der zu Boden fiel und zielsicher Haubolds kleinen Zeh traf. Haubold jaulte auf und hopste hinter dem Schreibtisch auf und ab.
    »Machst du deine Post immer so komisch auf?«
    Haubolds jüngere Tochter stand da und beobachtete ihn interessiert.
    »Schau, ich hab den Willi gekämmt.«
    Sie hielt ihm das kunstvoll frisierte Meerschweinchen vor die Nase.
    Der Kastellan stöhnte gequält und raufte sich die Haare. Er wartete, bis der Schmerz nachließ, und zog dann die Fünfjährige mitsamt dem flauschigen Nager auf seinen Schoß. »Meinst du denn, das gefällt dem Willi, wenn du mit der Bürste an ihm rumfummelst, hm?«
    Lina setzte das Meerschweinchen auf dem Schreibtisch ab. »Na klar. Der Willi freut sich jeden Tag aufs Kämmen. Manchmal mach ich ihm Schleifchen in den Pony, dann quiekt er immer, weil er sich so arg freut.«
    Armes Tier, dachte Haubold.
    »Du müsstest auch mal gekämmt werden, Papi.« Sie musterte Haubolds derangierte Lockenpracht mit einem mitleidigen Blick. »Ich kann’s dir gleich machen, ja? Die Bürste vom Willi liegt noch draußen. Bitte, bitte!«
    Haubold wehrte erschrocken ab. »Äh, ach, weißt du, Spatz, mit ungekämmten Haaren kann der Papi besser denken. Da kommt mehr Luft ans Hirn. Später vielleicht, ja? Jetzt muss ich erst mal meinen Brief lesen.«
    Er setzte Lina neben seinem Sessel ab. »Und nimm den Willi wieder mit!«
    Sie nickte ernst und nahm das Meerschweinchen wieder an sich.
    »Du, Papi, der Willi hat auf deinem Schreibtisch Pipi gemacht!«
    Tatsächlich ergoss sich eine kleine Lache gelbliche Meerschweinchenpisse über die Schreibunterlage und nässte gerade eine Ecke des kostbaren Briefes ein.
    »Herrgottsdonnerwetter!« Haubold brachte seine Nase ganz nah an Willis Schnauze und rollte gefährlich mit den Augen. »Du dämlicher Blödeimer

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