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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Zeit, und kostete jede gemeinsame Minute aus. Immer wieder wurde sie von der Angst gepackt, gleich könne die Tür aufgehen und ihr Bruder im Zimmer stehen, der nach den Kindern verlangte. Aber sie zwang sich jedes Mal, den Gedanken, auch noch ihre Söhne zu verlieren, weit von sich zu schieben. Und sie sorgte dafür, dass niemand im Schloss erfuhr, dass es im Frauenzimmer zwei Kinder gab …
    Außer Barbara war nur noch Kätha in der Lage, die beiden auseinander zu halten. Sie hatte eine außergewöhnliche
Fähigkeit, mit den Buben umzugehen, und liebte sie, als ob es ihre eigenen Kinder wären. Zusammen mit Lorenzo, der ebenfalls einen Narren an den Kleinen gefressen hatte, ging sie abwechselnd mit einem der straff gewickelten kleinen Bündel im Burghof spazieren, damit die Kinder an die frische Luft kamen, was, wie Lorenzo steif und fest behauptete, das Wichtigste überhaupt für sie war. In seiner Heimat Venedig, so erzählte er, ließ man Kinder so viel wie möglich im Freien, und alle kleinen Italiener seien prächtige, robuste und gesunde Kerle.
     
    Als an diesem Morgen jemand hart an die Tür zur Kemenate klopfte, schreckten die drei Frauen von ihrer Mahlzeit hoch. Barbara spürte, wie sich eine eisige Faust um ihre Kehle legte. Um diese Zeit wollte sonst niemand etwas von ihr. Sie gab Susanna ein Zeichen, und diese stellte sich schützend vor den Durchgang zum Nebenzimmer. Dann bedeutete sie Kätha zu öffnen. Doch bevor das Mädchen ihre Suppenschale hingestellt hatte, sprang die Tür bereits auf und zwei bewaffnete Söldner drangen ins Zimmer, gefolgt von Albrecht Alkibiades.
    »Wo ist das Kind?« Der Markgraf sah sich suchend im Raum um.
    Barbara schwankte. Sie drückte immer noch ihren Suppenteller an sich, als ob sie sich daran festhalten wollte. Jetzt zitterte sie so, dass die Brühe überschwappte
und den grünen Stoff ihres Kleides durchtränkte. In ihren weit aufgerissenen Augen stand das nackte Entsetzen.
    »Um der Liebe Christi willen, Albrecht, tu’s nicht. Es sind … es ist ein unschuldiges Kind. Albrecht, ich fleh dich an, lass mir meinen Sohn. Um der alten Zeiten willen … «
    »Wo ist das Kind?«
    Albrecht ging auf den Eingang zum Nebenzimmer zu. Die Markgräfin ließ die Schüssel fallen und stürzte ihm nach. Sie stolperte, sank vor ihm auf die Knie und umfasste flehend seine Beine.
    »Bring mich um, Bruder. Mach mit mir, was du willst, aber lass das Kind am Leben. Ich bitte dich beim seligen Andenken an unseren Vater … «
    Er schleppte sie zwei Schritte lang mit, dann stieß er sie mit einem Bein von sich. Sie schrie, während die beiden Soldaten sie packten und festhielten. Der Markgraf hatte die Tür zum Schlafzimmer fast erreicht, als sich Susanna, die immer noch dort stand, aus ihrer Erstarrung löste.
    »Wartet! Ich hol Euch das Kind.« Während Albrecht im Kaminzimmer blieb, trat sie an die Wiege der Buben. Ihr Herz klopfte wild. Lieber Gott, dachte sie, welchen nehme ich bloß? Wie soll ich entscheiden, wer von beiden sterben muss? In diesem Moment wachte einer der Säuglinge auf und begann zu schreien. Damit war die Entscheidung gefallen. Susanna riss
das brüllende Baby mit fliegender Hast aus dem Bett, um zu verhindern, dass es auch noch seinen Bruder weckte. Schlaf weiter, flehte Susanna innerlich, bitte, bitte, bleib still, sonst bist du auch verloren. Das Mädchen schlug den Buben in ein Tuch ein, rannte nach nebenan und schloss die Tür wieder hinter sich. Sie streckte dem Markgrafen das Bündel entgegen.
    Albrecht packte das Kind unter den rechten Arm und stürmte damit zur Tür hinaus. Als er fort war, ließen die Landsknechte Barbara los, die sich erbittert gewehrt hatte, und folgten dem Markgrafen nach draußen. Die Markgräfin blieb mit hängenden Schultern zurück.
    »Wer von beiden war es?«, flüsterte sie.
    Kätha nahm sie in die Arme. »Es war Heinrich. Er hat geschrieen. Susanna hatte keine Wahl.«
    Barbara starrte mit blinden Augen an Kätha vorbei. Ihr war, als hätte man ihr das Herz aus dem Leib gerissen. Ich bin verflucht, dachte sie. Ich bringe denen, die ich am meisten liebe, den Tod. Wär ich doch selber an Jakobs Stelle gestorben. Herr Jesus, warum strafst du mich und die Meinen so furchtbar? Hilflos schlang sie die Arme um den Oberkörper, als ob sie nichts anderes als sich selber zum Festhalten hätte. Die Zähne klapperten ihr, und sie schlotterte am ganzen Leib. Alles, was sie in den letzten Monaten ertragen hatte, brach jetzt über ihr zusammen,

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