Die Markgräfin
Ring in seiner Faust, ein Unterpfand dafür, dass seine Zukunft gesichert sein würde.
»Mit Gottes Hilfe wird alles gutgehen, mein Freund.«
Kulmbach, 1 .Januar 2003
»Blödsinn, der Markgraf«, sagte der Archivar am Telefon. »Es ist unwiderlegbar nachgewiesen, dass Albrecht Alkibiades nach seiner letzten verlorenen Schlacht bei Kitzingen geflohen ist, und zwar an den Hof des französischen Königs Heinrich II . Albrecht ist sogar vertraglich in französische Dienste getreten und hat eine Zeit lang in Fontainebleau gelebt.«
»Hm.« Haubold überlegte.
»Und außerdem, mein Lieber, hatte der Markgraf zeit seines Lebens zwei Beine.«
»Okay, okay, du hast mich ja schon überzeugt. Aber wer sonst könnte im Besitz des markgräflichen Siegelrings sein?« Der Kastellan kratzte sich am freien Ohr.
»Na, der Hauptmann auf dem Gebirg zum Beispiel, als Siegel für wichtige Rechtsgeschäfte. Wenn wir mal davon absehen, dass irgendwer den Ring geklaut haben könnte.«
»Aber dieser Irgendwer wüsste vermutlich nichts von dem Geheimgang, und da lag das Skelett nun mal. Während der Hauptmann sicherlich über diesen Fluchtweg informiert war. Und er hatte als oberster Verwaltungsbeamter des Landes vielleicht wirklich die Genehmigung, für wichtige Sachen das markgräfliche Siegel zu benutzen.«
»Siehste! Und wer war damals Hauptmann?«
»Seit Ende der vierziger Jahre bis zur Eroberung der Burg der Landgraf von Leuchtenberg, wenn ich mich recht erinnere.«
»Also müssen wir nur noch einen Beleg dafür finden, dass dieser Leuchtenberg einbeinig war.«
»Genau.« Haubold hatte es jetzt eilig. »Darum werde ich mich als Nächstes kümmern.«
Nachdem er aufgelegt hatte, ging er eine Stunde lang die einschlägige Plassenburg-Literatur in seinem Bücherschrank durch. Ohne Ergebnis. Überhaupt war wenig über diesen Leuchtenberg zu erfahren; als Person war er gar nicht greifbar. Wenn sich etwas herausfinden ließe, dann höchstens über Quellenforschung im Staatsarchiv Bamberg. Frustriert ließ sich Haubold wieder an seinem Schreibtisch nieder und seufzte gottergeben. Es blieb ihm halt doch nicht erspart, die vermaledeite Jahresrechnung abzuschließen.
Abends, als die Mädchen schon im Bett lagen, saß er mit seiner Frau im Wohnzimmer. Susanne strickte, und Haubold löffelte Erdbeerjoghurt aus einem Becher.
»Stell dir vor, wir haben herausgefunden, dass es sich bei dem Skelett im Geheimgang vermutlich um den gebirgischen Hauptmann handeln könnte.«
Susannes Nadeln klickten leise weiter. »Aha. Und?« Sie zurrte Wolle aus dem Knäuel.
»Tja, jetzt muss ich bloß noch feststellen, ob dieser
Georg von Leuchtenberg nur ein Bein hatte. Wenn ja, dann hätten wir die Identität.«
»Ist ja interessant. Ist das ein Vorfahr vom jetzigen Grafen von Leuchtenberg?«
Haubold sah seine Frau verblüfft an. »Was weißt denn du vom jetzigen Grafen von Leuchtenberg?«
Sie begann, die Maschen nachzuzählen. »Na, der ist Bio-Bauer und lebt in der Nähe von Amberg.«
Der Kastellan verzog wie im Schmerz das Gesicht. »Also weißt du, Susanne, manchmal glaub ich wirklich … «
Sie legte das Strickzeug hin und setzte sich auf. »Im Ernst. Das hab ich irgendwann mal beim Friseur in der ›Revue der Frau‹ gelesen, während der Einwirkzeit meiner Dauerwelle. Also, dieser Graf von Leuchtenberg hat nämlich richtig Pech gehabt, stand jedenfalls in dem Artikel. Er war früher so was wie ein Immobilienhai und hatte Geld wie Heu, aber dann hat er eine bombastische Pleite hingelegt. Seine Frau, eine von diesen dreimal gelifteten Jet-Set-Blondinen, ist deshalb mit seinem Hausbankier auf und davon gegangen. Danach hat er sich auf ein Anwesen zurückgezogen, das ihm noch gehörte, und das bewirtschaftet er jetzt als Bio-Bauer. Ehrlich.«
»Und wo hat dieser verlassene Pleitier seinen Bauernhof?«
Susanne runzelte die Stirn. »Genau weiß ich das auch nicht. Jedenfalls muss es irgendwo in der Nähe
der zerfallenen Burgruine sein, die der Stammsitz der Familie war. Sie haben ihn nämlich vor seinem Hof fotografiert, und da sieht man im Hintergrund das alte Gemäuer. Wenn du auf der Landkarte nachschaust, was es um diese Burg für Dörfer gibt, dann könntest du über das Telefonbuch … «
»Susilein, du bist ein Schatz!« Haubold sprang auf und drückte seinen Joghurtmund auf Susannes Stirn. »Äbäh«, machte die und wischte sich mit dem Handrücken die rosafarbenen Spuren ab.
Zwei Tage später kurvte Haubold auf Landsträßchen
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