Die Markgräfin
die Brille ab.
»Also, ich muss leider eine Fehlanzeige vermelden. Ich habe in der Zwischenzeit die Kulmbacher Taufregister zwischen 1500 und 1600 durchgesehen – nichts. Rein gar nichts.«
Die vier Forscher schauten betrübt in ihre Kaffeetassen. So war kein Weiterkommen. Haubold nahm sich aus lauter Frustration das dritte Nusshörnchen und biss mit einiger Verzweiflung hinein.
»Das Einzige, was jetzt noch bleibt, sind die Quellen im Staatsarchiv. Wenn uns das auch nicht auf die Spur einer hoch gestellten Frau am markgräflichen Hof bringt, die als Mutter unseres eingemauerten Kindes infrage kommt, bleibt uns wohl nichts anderes als aufzugeben.«
Kleinert nickte. »Ich glaube ja nicht, dass wir im Kulmbacher Archiv etwas anderes haben als die Kollegen in Bamberg. Aber ich sehe trotzdem in der entsprechenden Zeit nochmal nach.«
Nach diesem unbefriedigenden Gedankenaustausch wollte unter den vier Männern keine rechte Stimmung mehr aufkommen. So verabschiedeten sich die Gäste bald.
Haubold räumte Tassen und Teller weg und leerte den Aschenbecher. Es war halb sieben. Er öffnete eine Flasche Pils und ließ sich in seiner ganzen Breite auf dem ramponierten Wohnzimmersofa neben dem Meerschweinchenkäfig nieder, wo das Tierchen inzwischen friedlich in einer Ecke vor sich hin döste. Er trank ein paar kurze Schlucke aus der Flasche, spielte am Schnappverschluss seines linken Hosenträgers und sinnierte.
Brief des Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Kulmbach
an König Matthias von Ungarn,
22 .April 1541
Gottes Gruß und Freundschaft zuvor, und mögen Euer königliche Gnaden gesund und wohl sein. Zunächst wollen wir Euch vom Ableben unseres Herrn Vaters berichten, Gott gebe ihm die Ewige Ruh. In Sachen
des Leibgedings unserer Schwester, der Königin von Böhmen, wenden nun wir uns an Euch, die Ihr in glorreichem Sieg über den Jagiellonen Wladislaus die Herrschaft über meiner Schwester Herzogtum erlangt habt. Wiewohl Euer Liebden schon vor längst der Königin ein Leibgeding von fünfzigtausend Gulden versprochen, ist noch kein Wechsel oder Geld eingetroffen. Nun wissen wir, dass auch Euer Liebden der Krieg mit Zahlungen schwer zugesetzt, und können wir gut begreifen, dass derzeit Euer Säckel eng geschnürt sein mag. Deshalb wollen wir Euch als Vormund unserer Schwester ein Vorschlag unterbreiten, der Euch und uns zupass kommen könnt. Anstelle des Geldes, das Ihr an die Königin als Ablöse für ihr schlesisches Erbe ausbezahlt hättet, wäre es ein Besseres, uns als Ihrem Vormund einige schlesische Güter als Pfand zu überlassen. Wir denken an Crossen, Züllichau, Sommerfeld und Bobersberg. Damit bliebe das eigentliche Herzogtum Groß-Glogau rechtmäßig bei Euer Liebden. Es wäre damit auf immer abgelöst, wobei wir uns dazu versehen würden, coram publico darauf Verzicht zu leisten. Dafür stünd uns die Nutzung der schlesischen Güter auf Lebenszeit zu. Somit, so glauben wir, wäre uns und Euch mit Vorteil gedient. Unser Schwester, die Königin von Böhmen, die derzeit in Neuenstatt an der Aisch ihren Aufenthalt hat, wird gegen die neue Regelung kein Protest erheben, dafür verbürgen wir uns. Möcht sie doch endlich der König von Böhmen zu sich
nehmen, wenn sie kein rechten Unterhalt mehr bei uns findet.
In Erwartung Eurer gefälligen Antwort Albrecht
Markgraf von Brandenburg-Kulmbach
Gegeben zu Plassenberg den fünften Tag nach
Ostersonntag anno 1541
Neustadt an der Aisch, August 1541
Die Residenz, sonst als Nebensitz der Ansbacher Markgrafen ein eher ruhiger und beschaulicher Ort, war auf den Beinen. Erstmals seit Antritt ihrer Herrschaft hatten sich die beiden neuen Markgrafen angekündigt, um hier die Huldigung eines Teils des unterländischen Adels entgegenzunehmen. Für den Abend war ein festliches Essen geplant, zu dem Adel, Vertreter der Landstände und Abgesandte der Bürgerschaft von Neustadt geladen waren. Seit zwei Tagen schon hatten die Metzger Ochsen, Schweine und Federvieh auf die Burg getrieben, die bis zum Schlachten im Hof der Residenz angebunden und eingepfercht waren. In der Küche war man schon längst dabei, Gerichte vorzukochen, Brot zu backen, Sülzen und Würste zu machen. Krautfässer, Eier und Käselaibe waren geliefert worden, ebenso eine gute
Ladung Casteller Weins, den die Markgrafen für gewöhnlich tranken. Für die Dienerschaft hatte man im Brauhaus Bier bestellt und Speckseiten eingeholt. Und aus den Weiherhäusern der nächsten Umgebung wurden große
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