Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
Vom Netzwerk:
der Mitte des Tisches thronte ein pompöser Tafelaufsatz in Gestalt eines Greifs, der ein geschlagenes Reh in den Fängen hielt. An jedem Platz lag ein feines weißes Fazenettlein, an dem man sich Finger und Mund abwischen konnte. Auf einem Nebentisch hinter der Festtafel war ein Teil des Silberschatzes der Familie aufgebaut: Tabletts, Trinkgefäße, Salzfässchen, Senftöpfe, Schüsseln und Teller, alles massiv und vergoldet.
    Eine kleine Empore in der Mitte des Saals bot Platz für die drei Trompeter, die das Festmahl musikalisch gestalten sollten. Davor stand ein winziges Kindertischchen, an dem die beiden Zwerginnen zusammen mit dem Narren speisen sollten.
    Das Fest begann. In der Mitte der Fürstentafel thronten die beiden markgräflichen Brüder, rechts neben ihnen saßen ihre Mutter und Schwestern. Barbara stand als Königin von Böhmen ein Ehrenplatz
neben ihren Brüdern zu; sie teilte sich den Teller mit dem markgräflichen Hauskaplan. Es war eine der wenigen Gelegenheiten, dass Frauen bei einem offiziellen Festmahl zugegen sein durften, und so war Barbara wie die anderen Damen des Hofes guter Dinge und freute sich auf den Abend. Ihre Brüder und ihre Mutter, die in ausgezeichneter Stimmung waren, begrüßten sie recht freundlich, und sogar Kunigunde hatte ein nettes Wort für sie übrig. Sie scherzte mit dem Hofpfaffen, lachte über die Späße des Narren und aß nach Herzenslust.
    Die Aufwarter, meist Jungen vom Adel, trugen ohne Unterlass gefüllte Schüsseln herein und stellten sie auf der Fürstentafel ab.
    Barbara saß neben ihrem Bruder Georg, der sich, wie sie fand, in seiner Zeit am ungarischen Hof zu einem rechten Gecken entwickelt hatte. Er trug Hofkleidung nach der neuesten Mode, ein Wams mit geschlitzten Puffärmeln in Grün und Rot und ein Barett, dessen Rand mit Feh gesäumt war und ihm schräg in die Stirn hing. Dick war er geworden, und was er an Bauch zugenommen hatte, hatte er an Haar verloren. Ein Backenbart wuchs ihm üppig von den Ohren bis zum Kinn. Seine blauen Augen leuchteten aus dem rötlichen Gesicht, und das unvermeidliche Grinsen, mit dem er schon als Junge ein bisschen dümmlich ausgesehen hatte, hatte ihn nicht verlassen. Er schoss den Vogel ab, als er schon vor dem Essen
nach Wasserkanne und Schüssel zum Händewaschen verlangte – so viel vornehme Reinlichkeit verblüffte den fränkischen Adel zutiefst. Man kam an der Tafel allgemein überein, dass er der vollkommene Höfling sei – in jeder Hinsicht ein Paradebeispiel im Sinne des Erasmus von Rotterdam und seiner Sittenlehre.
    Barbara fragte Georg eifrig über den ungarischen Hof aus, und er erzählte bereitwillig den neuesten Klatsch. Albrecht unterhielt sich angeregt mit seiner Mutter und ein paar Räten, und es wurde fleißig getrunken. Die Pokale machten Runde um Runde, und Barbara beschloss, ihr Anliegen zur Sprache zu bringen, bevor ihre Brüder allzu betrunken waren. Die Gelegenheit schien ihr günstig zu sein, als die Hauptgerichte abgetragen waren und alles auf den Süßspeisengang wartete.
    »Liebste Brüder«, begann sie, »ich hätt gern ein Wort mit euch geredet, bevor die Frauen sich wieder ins Frauenzimmer zurückziehen müssen.«
    Georg und Albrecht bekundeten durch Nicken ihre Zustimmung. Die drei erhoben sich und gingen zusammen in eines der angrenzenden Zimmer, aus dem sie das Personal verscheuchten. Albrecht ließ sich auf einem Scherenhocker nieder und bedeutete seiner Schwester mit einer Geste, sie möge sprechen.
    Barbaras Finger spielten unruhig mit ihrer Goldkette.
    »Ich weiß nicht recht, wie ich anfangen soll. Georg,
Albrecht, ihr kennt meine Lage nur allzu gut. Seit elf Jahren bin ich nun Königin von Böhmen, und bin’s doch nicht. Der König nahm mich wegen Groß-Glogau und Crossen, meinem Erbe, und hat es schon lang ohne Recht wegen seiner militärischen Niederlage an die ungarische Krone abgetreten. Er braucht und will mich nicht mehr, hat er doch in den vergangenen Jahren mit immer fadenscheinigeren Briefen meine Heimführung verzögert. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin oder nicht bin. Niemand kümmert sich um mich, der Familie bin ich nur Last und Grund für Spott. Jeder will mich los sein, aber der Böhme nimmt mich nie und nimmermehr, ich weiß es.«
    Georg und Albrecht machten keine Anstalten, etwas zu erwidern. Albrecht besah mit größtem Interesse seine Fingernägel, und Georg bewunderte den silbernen Gliedergürtel. So sprach Barbara in beschwörendem Ton weiter.
    »Mir ist, als

Weitere Kostenlose Bücher