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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Und eine Signatur des Künstlers gibt es auch nicht. Da steh’n wir nun, wir arme Tor’n, und sind so klug als wie … «
    Die Sekretärin, ein wahrer Goldschatz, unterbrach das Goethe-Zitat und reichte ihm einen aufgeschlagenen alten Folianten.
    »Hier bringe ich Ihnen das frühere Eingangs- und Inventarbuch der Kanzleibibliothek. Da ist auch die Signatur des Bildes, sehen Sie, ›N 812 a‹, wie auf der Seite des Rahmens aufgebracht.«
    Haubold und Kleinert beugten sich über das Buch, und der Archivar begann die krakelige winzige Schrift zu entziffern: »Porträt einer Unbekannten, vermutl. 16 . Jhd., Öl auf Leinwand, Maße 25 ½ auf 58 ½ Centim., Holzrahmen, vergoldet. Zustand: gut. Künstler: unbek.«
     
    Schweigsam gingen die beiden Männer zum Auto zurück. Auf der Landstraße Richtung Kulmbach fasste Haubold seine Überlegungen zusammen.
    »So, jetzt haben wir also eine unbekannte Frau, offenbar aus dem 16 . Jahrhundert. Die Vorzeichnung zu dem Ölbild liegt bei dir im Archiv und befindet sich auf der Rückseite eines Bauplans, der unter Albrecht Alkibiades angefertigt wurde. Damit können wir das Ding auf die Jahre zwischen 1541 und der Schleifung der Burg 1554 datieren. Das ist doch schon mal was! Zu dieser Zeit hat sich also vermutlich eine Frau auf der Burg befunden, die der Zeichner gesehen und porträtiert hat.«
    »Jedenfalls war sie sicherlich keine wirklich hoch
gestellte Dame. Ist dir aufgefallen, dass sie keinerlei Schmuck trägt? Nicht das kleinste Ohrringchen, kein Ring, kein Halsschmuck? Normalerweise wollte man doch gerade auf Porträts zeigen, was man hat. Abgesehen davon, dass ein Maler, der beim Porträtieren einer wichtigen Persönlichkeit einen körperlichen Makel wie diesen Krüppelfinger derart plastisch abgebildet hätte, sofort geschasst worden wäre. Aber das Kleid ist vornehm, das stimmt schon. Irgendwas passt da nicht zusammen.«
    »Ist es denn jetzt die gleiche Frau wie auf deinem Wandgemälde im Markgrafenzimmer?«
    »Na, glaubst du, es hat zur gleichen Zeit in Zusammenhang mit Albrecht Alkibiades und der Plassenburg zwei dunkelhaarige Frauen mit einem verkrüppelten kleinen Finger gegeben?«
    »Wo du Recht hast … «
    »Und ist dir aufgefallen, wie die Frau im Bild dasteht? Beide Hände vor dem Bauch und ein so komisch durchgedrücktes Kreuz? Wenn die nicht schwanger war … «
    »Auf den Frauenporträts der Zeit haben die Damen meistens so eine Haltung. Offenbar fand man das damals besonders anmutig.«
    »Aber es könnte doch sein!«
    So vor sich hin fabulierend fuhren sie Kulmbach und der Plassenburg entgegen.

Kulmbach, Oktober 1542
    Der Zug des Markgrafen schlängelte sich das Maintal entlang in Richtung Kulmbach. Die Altstraße war in einigermaßen gutem Zustand und hatte nur wenige Schlaglöcher, das Wetter war mild, und die Wagen und Packpferde kamen ordentlich voran. Die Stimmung im Tross war gut, Scherze und Witze kursierten, und alle waren froh, die Reise bald hinter sich zu haben.
    Barbara saß in ihrem verschlossenen Wagen und sah dem letzten Abschnitt ihrer unfreiwilligen Reise mit Düsternis entgegen. Nach inzwischen siebentägiger Fahrt in der holprigen Kutsche tat ihr jeder Knochen weh. Man hatte sie bisher höflich, aber ohne Freundlichkeit behandelt. Dort, wo der Zug die Nacht verbracht hatte, zuletzt im Bayreuther Schloss, hatte man sie unter Bewachung in ein Zimmer geführt, ihr eine Abendmahlzeit und einen Nachttiegel gebracht. Ihr Schlaf war von Albträumen durchsetzt, aus denen sie immer wieder schweißgebadet aufwachte, und am Morgen fühlte sie sich ausgelaugt und wie gerädert.
    Ihren Bruder Albrecht hatte sie seit Beginn der Reise nur noch von fern zu Gesicht bekommen, lediglich der Hofmeister Guttenberg sprach mit ihr und erschien morgens und abends, um sich manierlich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Es war ihr unmöglich, irgendeinen Zugang zu ihm zu finden.
    Lange bevor man Kulmbach erreichte, konnte man die Plassenburg auf dem Bergrücken oberhalb der Stadt erkennen. Die Festung bot einen imposanten Anblick. Wie ein Stein gewordenes Symbol von Stärke und Wehrhaftigkeit thronte sie mit ihren Türmen und Bastionen hoch über dem Maintal und wirkte trotz des herrlichen Sonnenscheins düster und bedrohlich. Erbaut aus riesigen Blöcken graubraunen Sandsteins, glotzte das Bollwerk markgräflicher Macht wie ein finsterer Beobachter auf die kleine Reisegesellschaft nieder, die sich weit unten den Fluss entlangschlängelte.
    Die Burg war noch nie

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