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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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irgendetwas in den Computer hackte, »nicht dass ich wüsste. Hier gibt’s nur Bücher und so.«
    »Aber die gesamten Bestände der Kanzleibibliothek befinden sich doch hier in der Kanzlei?«
    Haubold klang leicht verzweifelt.
    »Ja schon, aber von Bildern weiß ich nichts. Vielleicht fragen Sie mal in der Uni-Bibliothek.«
    »Gibt’s denn kein Verzeichnis der Bestände in der Kanzlei?«
    »Sicher gibt’s das, aber da stehen nur Bücher drin.«
    Archivar und Kastellan sahen sich ratlos an. Gerade als sie sich wieder zum Gehen wenden wollten, öffnete sich die Tür und die Rettung erschien in Gestalt
einer älteren Bürodame, die aus der Pause zurückkam.
    »Ach, Frau Loose, vielleicht wissen Sie was über Bilder aus der alten Kanzleibibliothek?«
    Frau Loose fing sofort an zu referieren.
    »Bilder, natürlich. Aber zur alten Kanzleibibliothek gehören meines Wissens nur noch ein paar kleinere Bilder. Alle größeren Gemälde und die Karten haben wir dem Stadtarchiv Bayreuth zur Aufbewahrung übergeben, als wir hierher ins neue Gebäude umgezogen sind. Das war im Juli 95 .«
    Haubold und Kleinert jubilierten innerlich.
    »Und die Bilder, die sich noch in der Kanzlei befinden, sind die hier im Haus?«
    »Ja, ja. Ich habe sie schließlich selber aufgehängt. Kommen Sie, ich zeige sie Ihnen.«
    Die Sekretärin ging mit wippender Aufsteckfrisur voraus durch die Gänge und führte sie zu einem Zimmer im sechsten Stock.
    »Hier drin sind die nicht ausleihbaren Bestände der früheren Kanzleibibliothek, also Bücher, die älter sind als hundert Jahre, Kartenmaterial, alte Folianten und Ähnliches. In diesem Raum war bestimmt seit dem Umzug niemand mehr. Weil wir damals nicht recht wussten, wohin mit den Bildern, habe ich sie einfach hier drin aufgehängt – dazu sind Bilder schließlich da, oder?«
    Sie blickte erwartungsvoll vom einen zum anderen.
    Haubold und Kleinert sahen sich die Bilder an. Fast alle waren kleinformatige Porträts von einem Maler des 17 . Jahrhunderts namens Heinrich Bolland, Öl auf Holz. Sie zeigten verschiedene zollerische Markgrafen und ihre Ehefrauen, fast schon Miniaturenmalerei, äußerst detailgetreu. Dann waren da noch zwei kolorierte Landschaften, zwei nicht besonders qualitätvolle Stiche von Georg Friedrich und eine Karte des Amtes Bayreuth von 1734 .
    Über einem ausgedienten Schwarzweißkopierer hing schließlich das, was Haubold und der Archivar suchten. Es war ein Frauenporträt, ungefähr 25 × 60  cm groß und, wie Haubold bemerkte, gar nicht schlecht gemalt. Und es handelte sich dabei ganz eindeutig um eine Ausarbeitung zu der Skizze im Kulmbacher Stadtarchiv.
    Vor einem unscheinbaren graubraunen Hintergrund stand eine höfische Dame. Sie trug ein dunkelgrünes, kostbares Kleid, vielleicht aus Samt, das mit vielen kleinen Perlen abgesetzt war und ein eng anliegendes Mieder hatte. Die Ärmel waren oben an der Schulter und dann noch einmal am Ellbogen geschlitzt und gepufft, darunter kam weißer durchsichtiger Stoff zum Vorschein. Das dunkle, fast schwarze Haar war in der Mitte gescheitelt und über den Ohren hochgesteckt, und über dieser Frisur trug die Dame ein perlenbesetztes weißes Häubchen, das eine hohe Stirn frei ließ. Der bemerkenswerteste Zug an dem
schmalen Gesicht der Frau waren zwei eigenartig helle Augen unter bogenförmigen, dichten Brauen, die den Betrachter sofort mit einem traurigen Blick zu fixieren schienen. Ansonsten fand sich nichts Auffälliges, die Nase war gerade, der Mund etwas üppig – insgesamt wohl keine zeitgenössische, sondern eher eine moderne Schönheit, wie Kleinert bemerkte. Hals, Ohren und Dekolleté waren völlig ohne Schmuck. Die Dame stand mit leicht nach hinten gewölbtem Rücken, als suche sie an einer Wand Halt, das Becken etwas nach vorne geschoben. Sie hielt die Arme abgewinkelt, die linke Hand ungefähr in Nabelhöhe, die rechte etwas darunter. Die Ärmelenden waren nach der Mode der Zeit überlang und schräg geschnitten, sodass man von den beiden Händen nur die Finger sehen konnte. Und da war er tatsächlich – der verkrüppelte, in seltsamem Winkel abstehende kleine Finger der linken Hand, einziger Makel einer sonst fehlerfreien Schönheit.
    Die beiden Männer standen eine Weile vertieft in den Anblick der Dame und ließen die seltsame Melancholie des Bildes auf sich wirken.
    »Sie sieht irgendwie traurig aus«, meinte Haubold betrübt, »und so ein schmales Gesicht.«
    »Blöderweise steht nirgends auf dem Bild, wer sie ist.

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