Die Markgräfin
Landesherr, für monatlich dreihundert Gulden auf Seiten des katholischen Karl V. gegen König Franz I. von Frankreich.
Barbara stand am vergitterten Fenster der Vogtei und schaute auf Kulmbach und den gegenüberliegenden Rehberg. Es war ein grauer Tag. Über der Stadt hing eine dichte Wolkendecke, aus der es ab und zu ein paar Tröpfchen regnete. Die Markgräfin konnte einzelne Menschen erkennen, in dicke Umhänge oder
Decken gehüllt, die sich durch die engen Straßen bewegten. Ein paar Schweine liefen grunzend durch die Häuserfluchten, immer auf der Suche nach Abfall, den die Bürger aus den Fenstern kippten oder auf die Misthaufen trugen. Die Kamine rauchten, und auf den krummen Dächern gurrten die Tauben.
Es war Barbara zur Gewohnheit geworden, jeden Tag stundenlang am Fenster zu stehen, den Blick auf die Gassen der Stadt gerichtet. Manchmal schien es ihr, als ob sie sich nur dadurch davon überzeugen könnte, dass wenigstens draußen das Leben weiterging.
Hofmeister Guttenberg ließ sich längst nicht mehr blicken. Statt seiner kam die Hofmeisterin einmal wöchentlich in die Vogtei, um nach Barbara zu sehen. Sie war eine dürre, ältliche Person mit kleinen, flinken Maulwurfsäuglein, die rot gerändert waren und unaufhörlich tränten. Wenigstens hatte sie nichts von der arroganten Eiseskälte ihres Mannes, wenngleich sich auch ihre Freundlichkeit in Grenzen hielt. Gleich bei ihrem ersten Besuch hatte die Guttenbergin für klare Verhältnisse gesorgt:
»Ihr könnt Euch denken, warum ich hier bin, Frau Barbara. Da Ihr die Anwesenheit meines Mannes nicht mehr wünscht, werde ich nun seine Stelle einnehmen. Euer Bruder braucht einen vertrauenswürdigen Aufpasser für Euch, der ihm regelmäßig Bericht erstattet. Ich muss sagen, dass mir diese Aufgabe
wenig Vergnügen bereitet, aber nun gut, einer muss es wohl tun. Ich bin gehalten, auf Euer Wohlergehen zu achten und Euch dazu zu bringen, Euer Verlöbnis aufzusagen. Sobald dies geschehen ist – schriftlich natürlich –, bin ich berechtigt, Euch aus der Haft in die Frauenzimmer zu entlassen. Bis dahin dürft Ihr niemanden sprechen und niemandem schreiben. Ihr wisst nun Bescheid, Liebden. Ich selber habe nichts gegen Euch. Wenn Ihr etwas braucht oder Wünsche habt, dann tut mir Bescheid oder lasst es mir durch den Wächter ausrichten.«
»Ich dank Euch für Eure Offenheit, Guttenbergin. In meiner Lage ist schon Ehrlichkeit eine Wohltat. Ihr könnt meinem Bruder ausrichten, dass mein Sinn nach wie vor fest steht. Es liegt nicht in meiner Macht, ein Verlöbnis, das vor Gott gegeben wurde, zu brechen. Ich würde ja mein Seelenheil verlieren. Albrecht hat mir schon so viel genommen – das darf er nicht auch noch von mir verlangen. Lieber bleib ich mein Lebtag im Kerker, als dass ich die ewige Verdammnis auf mich nehm.«
Die von Guttenberg hatte den Kopf geschüttelt.
»Einen solch festen Glauben verlangt kein Gott von Euch, Liebden.«
»Die ewige Seligkeit und mein Gewissen – das ist alles, was ich noch habe. Was ich sonst auf Erden besessen hab, hat mir mein Bruder genommen, Guttenbergin. Er hat mir mein schlesisches Erbe gestohlen,
mein Wittum, von dem ich leben sollte. Ihm geht es nur ums Geld! Jetzt steh ich mittellos da. Mir gehört nichts mehr, außer mein freier Wille. Zweimal hat mich meine Familie an Ehemänner verschachert. Der erste, Gott hab ihn selig, war gut zu mir, und ich hab ihn geliebt, wie man als Kind lieben kann. Der zweite hat mich verstoßen, und ich durfte ihn dennoch nicht verlassen. Ich war für meine Familie immer nur eine Handelsware, nicht besser als ein Stück Vieh. Jetzt hab ich mir selbst einen Mann gewählt, der mich achtet und mit dem ich leben könnt. Aber man gönnt mir meine Zukunft nicht, die einzige Zukunft, die mir noch bleibt. Setz ich’s jetzt nicht durch, bleib ich ewig unter der Fuchtel meines Bruders, der mich hasst.«
»Seid doch einsichtig, Liebden. Wann hätte jemals die Frau bestimmt, wen sie nimmt? In Euren Kreisen ist die Familie wichtiger als das Schicksal einer Einzelnen. Und ich versteh auch nicht, wie Ihr Euch jetzt noch durchsetzen wollt.«
»Was mein Bruder mit mir macht, bringt Schande über das ganze Haus Brandenburg! Meine zollerischen Verwandten in der Mark werden dabei nicht tatenlos zusehen. Auch der alte Abt Sebald von Heilsbronn wird mir beistehen. Und die politischen Gegner meiner Brüder haben bereits meine Verbindung unterstützt. Sie werden Albrecht im Reich unmöglich machen.
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