Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
Vom Netzwerk:
Und da ist immer noch Wladislaus, der erst wirklich zufrieden sein wird, wenn ich wieder unter
der Haube bin. Nein, Guttenbergin, ich hab Hoffnung genug, bald wieder hier herauszukommen.«
    Die Hofmeisterin hatte eingesehen, dass Barbara nicht umzustimmen sein würde. Sie hatte sich die wässrigen Augen umständlich mit einem Zipfel ihres Ärmels getrocknet und dann gleichgültig mit den Schultern gezuckt.
    »Frau Barbara, Ihr bringt Euch ins Unglück. Nehmt Vernunft an und zieht Euren Verspruch zurück. Eher wird der liebe Gott ein Einsehen haben als Euer Bruder. Je früher Ihr das begreift, desto schneller kommt Ihr hier heraus. Und, weiß Gott, heraus müsst Ihr schließlich irgendwann. Schreibsachen lasse ich Euch bringen, sodass Ihr jederzeit Euren Entschluss niederschreiben könnt. Bleibt Ihr verstockt, so kann ich Euch nicht helfen.«
    So war die Guttenbergin schließlich gegangen. Kurze Zeit später hatte der Wächter eine kleine, mit Schnitzereien verzierte Lade mit ein paar Pergamentbögen, zwei angespitzten Gänsekielen, einem Tintenglas und einem Sandfässlein durch das Türchen gereicht. Das Holzkästchen stand seither unberührt auf der Fensterbank in Barbaras Schlafkammer.
     
    In der ersten Zeit ihrer Gefangenschaft hatte sie noch gewartet. Gewartet darauf, dass ihr Bruder käme, oder die Hofmeisterin, oder ein Brief von ihren Verwandten aus der Mark Brandenburg. Sie hatte darauf
gewartet, dass sich dreimal am Tag das Fensterchen in der Türe öffnete und ihr Essen hereingereicht wurde, und noch einige Male, um ihre Notdurft in einem Nachtscherben dem draußen postierten Landsknecht hinauszuhalten. Sie hatte gewartet auf Schlaf und darauf, dass Ruhe in ihr einkehrte, dass der Schmerz und die Wut nachließen. Sie wusste nicht mehr, wie oft sie das Kästchen mit den Schreibutensilien vor sich auf den Tisch gestellt, wie oft die Feder in die Tinte getaucht, wie oft alles wieder auf den Sims über dem Bett zurückgestellt hatte. Irgendwann hatte sie geglaubt, verrückt werden zu müssen, weil sie sich dabei ertappte, dass sie nicht mehr nur mit ihrem Hündchen, sondern auch mit sich selber sprach. Immer öfter fand sie sich im Streit mit ihrem Bruder, ihrer Schwester Kunigunde, dem Hofmeister. Und sie begann auch, mit dem toten Heinrich von Groß-Glogau zu sprechen, mit ihm über Religion, Alchemie, Politik zu disputieren, wie sie es in glücklichen Zeiten als Kind getan hatte. Das waren ihre besten Momente, während derer sie sich in ihrer Phantasie wieder im Glogauer Schloss befand, unbeschwert und fröhlich.
     
    Die Tage flossen zäh wie flüssiges Blei. Morgens wurde Barbara vom Klappern des kleinen Holzladens in der Tür geweckt, mit dem der Wächter das Hereinreichen der Frühsuppe ankündigte. Im Gegenzug schob ihm Barbara das zappelnde Hündchen hinaus, das dann in
den großen Hof durfte und von der Küche mit Futter aus den täglichen Abfällen versorgt wurde.
    Das Hündchen war Barbaras einziges Privileg. Barbara hatte es Max getauft, nach einem der Ansbacher Stubenheizer, dem es ähnlich sah, wenn es den Kopf schief legte und die Stirn in Falten zog. Max lief während seiner freien Stunden überall im Schloss herum. Die Dienerschaft hatte sich bald daran gewöhnt, dass das Hündchen im Gegensatz zu den unzähligen Streunern, die immer irgendwie ins Schloss fanden, nicht verjagt werden durfte. Max machte täglich seine Runden, fand schnell Stationen, an denen er sich immer wieder einfand. So besuchte er regelmäßig nach seiner Futterzeit in der Küche die Pferdeställe, dann die Bankriesen im Hof und den Torwart des Inneren Tores. Zurück im Schloss fand er meist die Wäschemädchen zum Spielen aufgelegt, untersuchte dann die große Hofstube und lief gewöhnlich am Ende zum alten Endres, der als Faktotum für allerlei kleinere Arbeiten zuständig war und immer irgendwo herumkrauterte. Der brachte Max dann zurück zu Barbaras Wächter, und das Hündchen wurde wieder durch die Türluke gereicht.
     
    Um sieben Uhr begann der tägliche Morgengottesdienst in der Schlosskapelle. Hierzu musste sich das Hofgesinde geschlossen einfinden, nicht nur, um in der christlichen Religion unterwiesen zu werden,
sondern weil bei dieser Gelegenheit der Schlossvogt seine Anwesenheitskontrolle vornehmen konnte. Zu diesem Gottesdienst war es Barbara gestattet, ihre Zimmer zu verlassen. Sie ging in Begleitung des Landsknechts zur Kapelle und betrat diese über eine Tür, die zum Fürstenplatz auf der Empore führte.

Weitere Kostenlose Bücher