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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Mitwirkung des berühmten Nürnberger Theologen Osiander die für die Reformation so bedeutsamen »Schwabacher Artikel« abgefasst worden. In der Wirtschaft sollte der Markgraf mit seinem Gefolge zu Abend speisen und die Nacht verbringen. Für das Morgengrauen des nächsten Tages war die Weiterreise nach Cadolzburg angesetzt.
    Die Schwabacher hatten ihre Stadt für den großen Tag fein herausgeputzt. Die Straßen, die der Markgraf benutzen würde, waren säuberlich vom Unrat gereinigt worden, Schlaglöcher hatte man zugeschüttet und tiefe Pfützen trockengelegt. Sogar die »Reiher«, die schmalen Einschnitte zwischen den Häusern, wohin man üblicherweise Abfälle und Nachttopfinhalte schüttete, hatten die erwartungsvollen Bürger ausgeräumt, damit es in der Stadt nicht so stank. Viele Häuser waren mit Laub, Fähnchen und Blumen geschmückt.
    Vor dem »Goldenen Stern« war eine Tränke für die markgräflichen Pferde bereitgestellt und Heu aufgeschüttet worden. Die Mägde hatten den Schankraum von Spinnen und Ungeziefer befreit, Bänke und Tische geschrubbt und frisches Stroh und Binsen auf dem Boden ausgebreitet. Die Wirtsfrau, ein behäbiges, grobschlächtiges Weib mit einem Kropf so groß wie eine Männerfaust, kochte seit zwei Tagen ununterbrochen: sauer Geschnetzeltes mit Innereien, gefüllte Kälbermägen, Kaninchenpasteten und was sonst noch als vornehme Speise galt. Auf hölzernen Gestellen duftete das frisch gebackene Brot. Alles war in heller Aufregung.
     
    Als der Markgraf einritt, regnete es. Trotzdem waren die Straßen mit Menschen gesäumt, die zu ihrer Enttäuschung nur einen pudelnassen Landesherrn
zu sehen bekamen, der bis zum Kinn in einen unförmigen gewachsten Regenmantel eingemummt war. Aus vielen Kehlen erschollen Hochrufe, denn im Gegensatz zu seinem Bruder Albrecht war der joviale, sinnenfreudige Georg bei seinen Landeskindern ausgesprochen beliebt.
    Georg winkte den Schwabachern durch den Regen zu. Er genoss solche Auftritte, und in Momenten wie diesen liebte er seine Untertanen aufrichtig, was allerdings selten lange anhielt. Schwabach gehörte neben Ansbach, Erlangen und Neustadt an der Aisch zu den wichtigsten Zentralen der untergebirgischen Herrschaft, und es verfügte mit seinen vielen Brauereien und dem aufstrebenden Goldschlägerhandwerk über ein stattliches Steueraufkommen von fast dreitausend Gulden. Während der Markgraf genüsslich überlegte, welche Summe wohl dieses Jahr aus der Stadt in seinen Säckel fließen würde, erreichte er den Marktplatz und stieg vor dem neu gebauten Rathaus ab. Nach dem mittäglichen Festbankett kamen die Gespräche mit den Honoratioren der Stadt über Verwaltungsprobleme, Steuern und Preise. Georg langweilte sich, ebenso beim anschließenden Gericht auf dem Kirchplatz neben dem Rathaus, das die üblichen leidigen Streitfälle brachte. Regieren war ein ermüdendes Geschäft.
     
    Bei Sonnenuntergang machte sich Simon Tuchmann wie befohlen auf den Weg zum »Goldenen Stern«. Er
hatte seine Feiertagskleider an – schwarzes Wams, enge schwarze Hosen und einen schwarzen, samtbesetzten Mantel mit in Doppelreihe angeordneten silbernen Schmuckmedaillen. Der Regen hatte die Straßen zum Teil in tiefen Morast verwandelt. Selbst die hohen Trippen konnten nicht verhindern, dass die feinen Ziegenlederschuhe vom Schlamm durchweicht wurden und Tuchmann unangenehm nasse Füße bekam.
    Der Jude begegnete kaum einem Menschen. Alles war noch vor Einbruch der Dunkelheit in die Häuser zurückgekehrt. Aus manchen Fenstern drang ein spärlicher Lichtstrahl – die Stadt bereitete sich auf die Nacht vor.
    Das Wirtshaus zum »Goldenen Stern« war schon von weitem zu erkennen, denn es war hell erleuchtet. Bratenduft umschmeichelte Tuchmanns Nase, als er durch den mittleren Torbogen in den Hausgang eintrat. Er vermied es, durch die große Stube zu gehen, wo die Räte und einige reiche Bürger noch beim Bier saßen, sondern stapfte gleich nach links in die Küche. Auf Schemeln in der Ecke warteten aufgeregt zwei junge Hübschlerinnen, die zu des Markgrafen Erbauung herbestellt worden waren. Ihre flammenfarbenen Mieder leuchteten im Schein des Herdfeuers. Der Wirt Paulus Beringer, ein gutmütiger rotgesichtiger Bär, winkte den Juden nach hinten.
    »Du wirst schon erwartet, Tuchmann. Über den
Hof, die Treppe hoch und dann die erste Tür. Und gute Geschäfte!«
    Tuchmann lachte und machte sich auf den Weg zum »heimlichen Zimmer«.
    Der Raum roch muffig. Ein

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