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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Geschnetzeltem verarbeitet wurden.
    Tuchmann passierte die schmucken Handwerkerhäuser in der Kotgasse, in denen Büttner, Sattler, Bierbrauer und Messerschmiede ihren Gewerben nachgingen. Er befingerte fröhlich die Fische, die er in einem offenen Körbchen trug, als sein Töchterchen Riwka ihm entgegengelaufen kam.
    »Du musst heimkommen, Papa, schnell, ein Bote aus Ansbach ist da und hat eine Nachricht für dich. Er sagt, es ist eilig.«
    Tuchmann griff erst einmal lachend nach seiner Kleinen und warf sie hoch in die Luft. Sie quiekte und zauste ihm den Bart. Das zierliche dunkelhaarige Mädchen war sein Ein und Alles.
    »Oj, da wird der Markgraf wohl wieder Geld brauchen«, flüsterte er seiner Tochter verschwörerisch zu. »Alsdann heimwärts in die Geldstube, Mäusele.«
    Das Tuchmannsche Haus lag in der Nähe des Nürnberger Tors auf dem Pinzenberg. Es war eine massive, zweigädige Fachwerkkonstruktion mit einem neu gebauten Flügel, Hofreit, Stallung und Kutscherhaus. Innen gab es fünf heizbare Zimmer, die der Jude mit seiner Frau Grönla und den drei Kindern bewohnte. Im Keller befand sich eine gemauerte Mikwe, das rituelle Tauchbad, das allmonatlich von der ganzen Familie und darüber hinaus von deren weiblichen Mitgliedern nach der Menstruation zur Reinigung benutzt wurde. Das Dach besaß eine Vorrichtung, mit der ein Teil der kassettenähnlichen Balkenkonstruktion geöffnet werden konnte, um im Herbst das Laubhüttenfest, den jüdischen Erntedank, unter freiem Himmel feiern zu können.
    In der Wechselstube saß bereits der markgräfliche Bote bei einem Humpen Bier und fühlte sich sichtlich unwohl – einen von der Hausfrau gebackenen Kringel hatte er abgelehnt, weil er nichts Koscheres essen wollte. Womöglich war Kinderblut unter den Teig gemischt oder Kräuter, die einem die Manneskraft raubten! Man wusste doch, von den Juden kam nichts Gutes, allesamt waren sie Brunnenvergifter, Wucherer und zauberische Nestelknüpfer.
    Als Tuchmann eintrat, erhob sich der Hofdiener, erleichtert, dass das Warten ein Ende hatte. Etwas unwillig machte er eine kurze Verbeugung. Tuchmann lächelte jovial.
    »Schalom, guter Herr Niklas, lang nicht mehr gesehen! Ich sehe, meine Frau hat Euch mit dem Nötigsten versorgt. Schmeckt das Bier, ja? Vom Nachbarn frisch gebraut! Sagt an, steckt Euer Herr wieder in Geldnöten? Ich steh selbstverständlich zu Diensten, wenn ich aushelfen kann. Wann soll ich in Ansbach sein?«
    »Gar nicht, dieses Mal.«
    Der Bote setzte ein wichtiges Gesicht auf und leierte seine auswendig gelernte Nachricht herunter.
    »Ich soll Euch ausrichten, dass unser gnädiger Herr Markgraf Georg morgen um die Mittagszeit in der Stadt eintrifft, um die Schwabacher Münze zu inspizieren. Er geruht danach höchstselbst mit Euch zusammenzutreffen. Ihr mögt darum kurz nach Sonnenuntergang ins Wirtshaus zum Goldenen Stern am Marktplatz ins heimliche Zimmer kommen. Und dass Ihr darüber mit niemands redet.«
    Der Bote Niklas verabschiedete sich schleunigst und verließ das Judenhaus. Vor der Tür schlug er hastig das Kreuzzeichen, dankbar, von den Christusmördern unbehelligt geblieben zu sein.
    Simon Tuchmann kratzte sich nachdenklich am Gemächt. Bisher war er zu Geschäften immer nach Ansbach zitiert worden. Meistens war es um Darlehen und Anleihen gegangen, und Georg hatte sich als geschickt feilschender Handelspartner erwiesen. Tuchmann hatte bisher immer gern mit ihm verhandelt, man pflegte hinterher den Geschäftsabschluss mit
einem Glas Wein zu besiegeln. Auch wenn der Markgraf die Kredite eher schleppend zurückzahlte, so war er für Tuchmann doch ein attraktiver Kunde. Diese Vorgehensweise heute war jedoch ungewöhnlich. Offenbar wollte der Markgraf ein heimliches Treffen mit ihm. Ob das Gutes verhieß?
     
    Am nächsten Tag, dem Tag der Enthauptung des heiligen Johannes, im Volksmund »Köpfleinstag« genannt, war die ganze Stadt auf den Beinen. Jung und Alt wollten einen Blick auf den Markgrafen erhaschen, der seit seinem Regierungsantritt vor zwei Jahren das erste Mal nach Schwabach kam.
    Der kleine Zug des Landesherrn – Georg war lediglich mit zwanzig Einrossern, einigen Dienern und zwei Ansbacher Räten unterwegs – sollte durch das Zöllnertor zum Marktplatz einreiten. Am Abend, nach den offiziellen Feierlichkeiten, würde sich der Markgraf ins Wirtshaus zum »Goldenen Stern« begeben, das am Marktplatz lag und die erste Adresse am Ort war – hier waren schon vor vierzehn Jahren unter

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