Die Mars-Chroniken
Kapitän sagte nichts, trug jedoch alles in sein Logbuch ein…
Es war ein Morgen, der ein Montag oder Dienstag oder irgendein Tag hätte sein können. Biggs saß am Rand des Kanals und ließ die Füße ins kühle Wasser hängen, während er sein Gesicht der Sonne entgegenreckte.
Ein Mann kam das Ufer entlanggewandert und auf ihn zu, schließlich blieb der Mann stehen und warf seinen Schatten auf Biggs. Biggs blickte auf.
»Da soll mich doch…!« sagte Biggs.
»Ich bin der letzte Marsianer«, sagte der Mann und zog seine Waffe.
»Was hast du gesagt?« fragte Biggs.
»Ich bringe dich um.«
»Laß das. Was sollen diese Scherze, Spender?«
»Steh auf!«
»Um Himmels willen, steck die Kanone weg.«
Spender drückte nur einmal ab. Biggs saß noch einen Augenblick lang reglos da, ehe er vornüber kippte und ins Wasser fiel. Die Waffe hatte nur ein flüsterndes Summen ausgestoßen. Die Leiche trieb in der gleichgültig langsamen Kanalströmung. Sie machte ein hohles, gurgelndes Geräusch, das sofort wieder erstarb.
Spender steckte die Waffe wieder in den Halfter und ging lautlos weiter. Die Sonne schien auf den Mars herab. Er spürte, wie ihre Strahlen auf seinen Handrücken brannten und über seine Wangen glitten. Er rannte nicht; er ging langsam, als ob nichts Ungewöhnliches geschehen wäre. Er ging zur Rakete hinab, wo unter einem vom Koch errichteten Sonnenschutz einige Männer beim Frühstück saßen.
»Da kommt ja unser einsamer Wanderer«, sagte jemand.
»Hallo, Spender, lange nicht gesehen!«
Die vier Männer am Tisch betrachteten den schweigsamen Mann, der ihre Blicke erwiderte.
»Du und deine verdammten Ruinen«, lachte der Koch und rührte etwas Schwarzes in einem Krug. »Du stellst dich an wie ein Hund mit seinen vergrabenen Knochen.«
»Vielleicht«, sagte Spender, »habe ich dieses oder jenes herausgefunden. Was würdet ihr sagen, wenn ich euch versicherte, auf einen Marsianer gestoßen zu sein?«
Die vier Männer legten ihre Gabeln hin.
»Tatsächlich? Wo denn?«
»Lassen wir das. Ich möchte euch eine Frage stellen. Wie wäre euch als Marsianer zumute, wenn fremde Leute in euer Land eindrängen und es umzukrempeln begännen?«
»Das weiß ich genau«, sagte Cherokee. »Ich habe etwas Cherokee-Blut in den Adern. Mein Großvater hat mir viel über das Oklahoma-Gebiet erzählt. Wenn es da draußen wirklich einen Marsianer gibt, hat er mein volles Mitgefühl.«
»Und ihr anderen?« fragte Spender gespannt.
Niemand antwortete; das Schweigen war Antwort genug. Catch as catch can, greif zu, solange der Vorrat reicht, wenn dir jemand die Wange hinhält, schlag zu, und so weiter…
»Nun«, sagte Spender, »ich habe tatsächlich einen Marsianer gefunden.«
Die Männer starrten ihn aus zusammengekniffenen Augen an.
»Ganz oben in einer toten Stadt. Ich hätt’s nicht für möglich gehalten. Ich habe nicht nach ihm gesucht. Ich weiß auch nicht, was er da wollte. Ich hatte etwa eine Woche in einem kleinen Tal gelebt und lernte, die alten Bücher zu lesen und die alten Kunstwerke zu betrachten. Und eines Tages sah ich den Marsianer. Er stand einen Moment da und war gleich darauf wieder verschwunden. Erst am nächsten Tag kam er zurück. Ich saß da und beschäftigte mich mit der alten Schrift, und da kam der Marsianer und rückte mir jedesmal ein Stückchen näher. Und an dem Tag, da ich die marsianische Sprache endlich entziffern konnte – es ist übrigens erstaunlich einfach, und man hat Bilddarstellungen zur Hilfe –, erschien der Marsianer vor mir und sagte: ›Gib mir deine Uniform und deine übrige Kleidung.‹ Und ich gab ihm alles, und dann sagte er: ›Gib mir deine Waffe‹, und ich gab ihm meine Waffe. Dann sagte er: ›Jetzt komm mit und sieh zu, was passiert.‹ Und der Marsianer ging geradewegs hierher ins Lager und ist jetzt hier.«
»Ich sehe keinen Marsianer«, sagte Cherokee.
»Es tut mir leid.«
Spender zog seine Pistole. Sie summte leise. Das erste Geschoß traf den Mann, der links am Tisch saß; die beiden nächsten fällten die Männer rechts und in der Mitte. Der Koch wandte sich entsetzt von seinem Feuer ab und bekam die vierte Kugel. Er stürzte rückwärts in die Flammen und rührte sich nicht mehr, während seine Kleidung Feuer fing.
Die Rakete stand in der Sonne. Drei Männer saßen beim Frühstück, die Hände und Gesichter auf dem Tisch, reglos, während das Essen vor ihnen kalt wurde. Cherokee, unverletzt, starrte Spender ungläubig und wie betäubt
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