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Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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    Eine Zeitlang hatte er gedacht: Was soll’s? Ich bleibe sitzen und lese, bis sie kommen und mich erschießen.
    Seiner ersten Reaktion auf das Erschießen der sechs Männer am Morgen waren eine betäubte Leere, dann Übelkeit und schließlich eine seltsame innere Ruhe gefolgt. Aber auch die friedliche Stimmung ging vorüber, denn er sah den Staub, der sich von den Füßen der Verfolger erhob, und er spürte, wie der Groll zurückkehrte.
    Er trank einen Schluck kalten Wassers aus einer Gürtelflasche. Dann stand er auf, reckte sich, gähnte und lauschte auf das friedvolle Paradies des Tales. Wie schön es wäre, hier mit einigen Freunden von der Erde das Leben zu beschließen, ohne Lärm und Sorgen!
    In der einen Hand trug er das Buch, mit der anderen hielt er die Pistole schußbereit. An einem kleinen, schnellen Bach voller weißer Kiesel zog er sich aus, watete hinein und wusch sich kurz. Er ließ sich Zeit, ehe er sich anzog und seine Waffe wieder zur Hand nahm.
    Die Schießerei begann gegen drei Uhr nachmittags. Spender war nun schon hoch im Gebirge. Sie folgten ihm durch drei kleine marsianische Bergdörfer. Verstreut wie Kieselsteine, erhoben sich oberhalb der Orte einzelne Villen an schönen Stellen, wo alte Familien einen Bach oder ein grünes Fleckchen gefunden und ein gekacheltes Becken, eine Bibliothek und einen Innenhof mit pulsierender Fontäne angelegt hatten. Spender schwamm eine halbe Stunde in einem der Becken, das von den jahreszeitlich bedingten Niederschlägen gefüllt war, und wartete darauf, daß ihn seine Verfolger einholten.
    Schüsse peitschten, als er die kleine Villa verließ. Terrassensteine splitterten zwanzig Fuß hinter ihm, explodierten. Er begann zu traben, suchte Deckung hinter einer Reihe kleiner Felsen, zielte sorgfältig und streckte mit seinem ersten Schuß einen der Männer nieder.
    Spender wußte, daß sie nun ein Netz bilden würden, um ihn zu fangen, einen Kreis. Sie würden ihn umgehen und sich heranschleichen und ihn schließlich erwischen. Es war seltsam, daß die Granaten nicht eingesetzt wurden. Kapitän Wilder hätte ohne weiteres den Befehl geben können.
    Aber ich bin viel zu nett, um in Stücke gerissen zu werden, dachte Spender. Das ist jedenfalls die Meinung des Kapitäns. Er will mich haben, aber nur mit einem Loch im Körper. Ist das nicht komisch? Er will, daß mein Tod eine saubere Sache ist und keine Schweinerei. Warum? Weil er mich versteht. Und weil er mich versteht, ist er bereit, gute Männer aufs Spiel zu setzen, damit ich nur einen sauberen Kopfschuß kriege. Das ist doch die Antwort, oder?
    Neun, zehn Schüsse wurden dicht hintereinander abgefeuert. Überall um ihn herum spritzten Felssplitter. Spender schoß gleichmäßig und warf ab und zu einen Blick auf das Silberbuch in seiner Hand.
    Der Kapitän rannte durch das heiße Sonnenlicht, ein Gewehr in den Händen. Spender verfolgte seinen Lauf durch das Pistolenvisier, doch er feuerte nicht. Statt dessen schwenkte er die Waffe zur Seite, schoß die Spitze eines Felsens ab, hinter dem Whitie lag, und hörte einen wütenden Aufschrei.
    Plötzlich stand der Kapitän auf. Er hatte ein weißes Taschentuch in der Hand. Er sagte etwas zu seinen Männern und kam, nachdem er sein Gewehr zur Seite gestellt hatte, langsam den Hang herauf. Spender blieb in seiner Deckung liegen und stand schließlich auf, die Pistole schußbereit erhoben.
    Der Kapitän kam heran und setzte sich auf einen Fels, ohne Spender auch nur einmal anzusehen.
    Der Kapitän griff in seine Hemdentasche. Spenders Finger krampften sich um die Pistole.
    Der Kapitän sagte: »Zigarette?«
    »Danke.« Spender nahm eine.
    »Feuer?«
    »Hab ich selbst.«
    Schweigend rauchten sie ein paar Züge.
    »Warm«, sagte der Kapitän.
    »Ja.«
    »Haben Sie’s bequem hier oben?«
    »Durchaus.«
    »Was meinen Sie, wie lange halten Sie durch?«
    »Zwölf Männer lang allemal.«
    »Warum haben Sie uns heute morgen nicht alle getötet, als Sie noch die Gelegenheit dazu hatten? Es wäre möglich gewesen.«
    »Ich weiß. Aber mir wurde schlecht. Wenn einem an einer Sache wirklich liegt, macht man sich meist etwas vor, man sagt sich, alle anderen hätten unrecht. Als ich mit dem Töten begonnen hatte, wurde mir klar, daß meine Opfer nur Narren waren und ich sie gar nicht umbringen dürfte. Aber es war schon zu spät. Ich konnte dann nicht weitermachen, und da bin ich hier herausgegangen, wo ich mir wieder etwas vormachen und mich wieder richtig in Wut

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