Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
Vom Netzwerk:
Rückkehr ein positiver Bericht die Invasion des Mars erheblich beschleunigen. Wenn ich Glück habe, erreiche ich die Sechzig. Ich werde stets zur Stelle sein, wenn die Expeditionen auf dem Mars landen, vielleicht eine im Jahr. Sie werden immer nur aus einem Schiff bestehen, und die Mannschaften maximal aus zwanzig Mann. Wenn ich mich dann mit ihnen angefreundet und ihnen erklärt habe, daß unsere Rakete eines Tages explodiert ist – ich beabsichtige sie nächste Woche in die. Luft zu jagen, wenn ich mit meiner Arbeit hier fertig bin –, bringe ich sie nacheinander um. So wird der Mars zumindest im nächsten halben Jahrhundert noch unberührt bleiben. Vielleicht geben die Leute auf der Erde ihre Versuche nach einer gewissen Zeit auch auf. Wissen Sie noch, wie zurückhaltend man schließlich dem Bau von Zeppelinen gegenüberstand, als sie immer wieder in Flammen aufgingen?«
    »Sie haben sich das alles gut überlegt«, gab der Kapitän zu.
    »Allerdings.«
    »Und doch sind wir in der Überzahl. In einer Stunde oder so sind Sie umzingelt. In einer Stunde sind Sie tot.«
    »Ich habe unterirdische Gänge und ein Plätzchen zum Leben gefunden, das Sie niemals aufspüren werden. Ich ziehe mich für einige Wochen dorthin zurück, bis Ihre Aufmerksamkeit erlahmt. Dann komme ich wieder und nehme Sie aufs Korn – einen nach dem anderen.«
    Der Kapitän nickte. »Erzählen Sie mir von Ihrer Zivilisation hier«, sagte er und machte eine Handbewegung, die die Bergstädte umfaßte.
    »Sie verstanden es, mit der Natur zu leben und auszukommen. Sie wollten nicht um jeden Preis nur Menschen sein und keine Tiere. Das war unser Fehler bei Darwins Auftauchen. Wir hießen ihn und Huxley und Freud begeistert willkommen. Und dann stellten wir fest, daß Darwins Lehre sich nicht mit unseren Religionen vertrug. Oder zumindest glaubten wir, daß das so wäre. Wir waren töricht. Wir versuchten Darwin und Huxley und Freud zur Seite zu schieben. Aber sie wollten sich nicht mehr recht entfernen lassen. Wie die Idioten versuchten wir also, die Religion vom Sockel zu stoßen.
    Das gelang uns ziemlich gut. Wir verloren unseren Glauben und gingen mit der Frage hausieren, was das Leben für einen Sinn hätte. Wenn die Kunst nur ein frustrierter Ausdruck der Sehnsucht, wenn die Religion nur Selbsttäuschung war – welchen Sinn hatte dann das Leben? Der Glaube hatte uns stets auf alles Antwort gegeben. Mit Freud und Darwin wurde das fortgespült. Wir waren und sind ein verlorenes Volk.«
    »Und die Marsianer sind ein gefundenes Volk?« wollte der Kapitän wissen.
    »Ja. Sie wußten Wissenschaft und Religion so miteinander zu verbinden, daß sie nebeneinander wirkten, daß sie sich nicht gegenseitig in Zweifel stürzten, sondern stärkten.«
    »Das müßte ja ein idealer Zustand sein.«
    »War es auch. Ich würde Ihnen gern zeigen, wie die Marsianer das vollbracht haben.«
    »Meine Männer warten.«
    »Wir sind in einer halben Stunde zurück. Geben Sie ihnen Bescheid, Sir.«
    Der Kapitän zögerte. Dann stand er auf und rief einen Befehl hinab.
    Spender führte ihn in ein kleines marsianisches Dorf aus kühlem, makellosem Marmor. Großartige Friese erstreckten sich überall an den Wänden – Friese mit schönen Tieren, weißpfotigen Katzenwesen und gelbgefächerten Sonnensymbolen – überall Standbilder von stierähnlichen Wesen und von Männern und Frauen und riesigen, wohlgestalteten Hunden.
    »Da haben Sie Ihre Antwort, Kapitän.«
    »Ich verstehe nicht…«
    »Die Marsianer fanden das Geheimnis des Lebens bei den Tieren. Das Tier stellt das Leben nicht in Frage. Es lebt einfach. Sein ursächlicher Lebensgrund ist das Leben selbst; es genießt und liebt das Leben. Verstehen Sie – die Standbildsymbole, die tierischen Symbole, überall.«
    »Kommt mir eher heidnisch vor.«
    »Im Gegenteil, es handelt sich um Gottessymbole, um Symbole des Lebens. Auch auf dem Mars war der Mensch zu sehr Mensch geworden und nicht genug Tier. Und die Marsmenschen erkannten, daß sie, wenn sie überleben wollten, jene eine Frage nicht mehr stellen durften: Warum leben wir? Eine Frage, auf die das Leben selbst die Antwort war. Leben hieß, ein möglichst gutes Leben zu leben und weiteres Leben hervorzubringen. Die Marsianer erkannten, daß sie sich die Frage ›Warum leben wir überhaupt?‹ vor allem in einer Periode des Krieges und der Verzweiflung stellten – zu einer Zeit, da es keine Antwort gab. Aber als die Zivilisation wieder zur Ruhe gekommen und der

Weitere Kostenlose Bücher