Die Mars-Chroniken
kehrte der Kapitän zu seinen staubigen Männern zurück. Immer wieder starrte er mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne und atmete heftig.
»Haben Sie etwas zu trinken?« fragte er. Er spürte eine Flasche, die in seiner Hand Kühle verbreitete. »Danke.« Er trank und wischte sich den Mund.
»Also«, sagte er. »Sehen Sie sich vor. Wir haben unendlich viel Zeit. Ich möchte keine weiteren Verluste. Wir müssen ihn umbringen. Er kommt nicht freiwillig. Sehen Sie zu, daß es möglichst ein sauberer Schuß wird. Keine Quälerei. Machen Sie schnell.«
»Ich puste ihm das Gehirn aus dem Schädel«, sagte Sam Parkhill.
»Nein, Sie schießen in die Brust«, sagte der Kapitän. Deutlich sah er Spenders starkes, entschlossenes Gesicht.
»Den Kopf!« sagte Parkhill nachdrücklich.
Der Kapitän reichte ihm mit ruckartiger Handbewegung die Flasche. »Sie haben gehört, was ich gesagt habe. In die Brust.«
Parkhill murmelte etwas Unverständliches.
»Los«, sagte der Kapitän.
Wieder trennten sie sich, zuerst langsam, dann im Laufschritt, dann wieder langsam an den heißen Hängen, wo sie überraschend auf kühle Grotten stießen, in denen es nach Moos roch, um dann ebenso plötzlich offene Stellen zu erreichen, wo es nach der Sonne duftete, die auf den Steinen brannte.
Ich hasse es, schlau zu sein, dachte der Kapitän, wenn ich mir gar nicht schlau vorkomme und es auch gar nicht sein will. Wenn ich gar nicht herumschleichen und Pläne machen und mir deswegen großartig vorkommen will. Ich hasse das Gefühl, zu glauben, ich täte etwas Rechtes, wenn ich mir dessen in Wirklichkeit gar nicht so sicher bin. Wer sind wir denn schon? Die Mehrheit? Ist das eine Antwort? Die Mehrheit ist immer heilig, nicht wahr? Immer, immer; sie irrt sich nie, keinen winzigen, unbedeutenden Augenblick lang irrt sie, nicht wahr? Auch in zehn Millionen Jahren nicht. Er dachte: Was ist denn diese Mehrheit, und wer gehört dazu? Und was denken diese Leute und wie sind sie zu dem geworden, was sie sind, und werden sie sich jemals ändern und wie zum Teufel bin ich in diese verdammte Mehrheit geraten? Mir ist nicht gut. Leide ich an Klaustrophobie, an Angst vor großen Menschenmengen, oder meldet sich nur mein gesunder Menschenverstand? Kann ein Mann recht haben, während die ganze übrige Welt ihren Standpunkt für richtig hält? Denken wir nicht darüber nach! Kriechen wir lieber herum und tun wir etwas Aufregendes und drücken wir einfach ab. Da, da und da!
Die Männer rannten weiter und duckten sich und hockten in den Schatten und entblößten die Zähne und keuchten, denn die Luft war dünn, und sie mußten immer mal wieder fünf Minuten ausruhen; keuchend und mit tanzenden schwarzen Punkten vor den Augen zehrten sie von der dünnen Luft, die nie genug schien, kniffen die Augen zusammen und standen schließlich wieder auf und hoben ihre Gewehre, um Löcher in die dünne Sommerluft zu schießen, Löcher voll Lärm und Hitze.
Spender verließ seine Stellung nicht und feuerte unregelmäßig.
»Seinen verdammten Schädel schieß ich ihm in Fetzen!« brüllte Parkhill und rannte bergauf.
Der Kapitän richtete sein Gewehr auf Sam Parkhill. Dann setzte er die Waffe ab und starrte sie entsetzt an. »Was wolltest du tun?« fragte er seine willenlose Hand und das Gewehr.
Er hätte Parkhill beinahe in den Rücken geschossen.
»Gott steh mir bei!« flüsterte er.
Er sah Parkhill weiterrennen und in Deckung fallen.
Spender wurde langsam von einem losen Netz von Männem eingeschlossen. Hinter zwei Felsen lag er am Hügelkamm und grinste vor Erschöpfung in der dünnen Luft, große Schweißinseln unter den Armen. Der Kapitän konnte die beiden Felsen sehen. Zwischen ihnen klaffte eine etwa zehn Zentimeter breite Lücke, die den Blick auf Spenders Brust freigab.
»He, du!« brüllte Parkhill. »Hier hast du ‘ne Ladung in den Kopf!«
Kapitän Wilder wartete. Los, Spender, hau ab, dachte er. Verzieh dich, wie du’s gesagt hast. Du hast nur noch ein paar Minuten. Verschwinde und komm später wieder. Los. Du hast es gesagt. Verschwinde. Verschwinde in den Tunneln, die du angeblich gefunden hast, und lebe ein paar Monate und Jahre dort und lies deine schönen Bücher und bade in deinen Tempelbecken. Los, Mann, ehe es zu spät ist.
Spender rührte sich nicht vom Fleck.
Was ist los mit ihm? fragte sich der Kapitän.
Wilder nahm sein Gewehr. Er beobachtete die von Deckung zu Deckung hastenden Männer. Er sah zu den Türmen des kleinen,
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