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Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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sollte. Und wo die Zweite Expedition vernichtet worden war, stand eine Stadt, die ›Zweiter Versuch‹ hieß, und an all den anderen Orten, wo die Männer ihre feuerspeienden Raketen niedergesetzt und das Land verbrannt hatten, blieben Namen zurück wie Asche-Village, und natürlich gab es auch ein Spendergebirge und eine Nathaniel-York-City…
    Die alten marsianischen Namen waren Namen des Wassers und der Luft und der Hügel gewesen. Namen von Schneefällen, die sich südlich in die steinernen Kanäle ergossen und die leeren Seen füllten, und Namen von begrabenen Zauberern und Türmen und Obelisken. Und die Raketen zertrümmerten die Namen wie herabsausende Hammerschläge, zerbrachen den Marmor, zerpulverten die irdenen Meilensteine mit den alten Städtenamen – Städte, deren Schutt jetzt neue große Schilder eingerammt wurden mit neuen Namen, in denen Wörter wie EISEN und STAHL und ALUMINIUM und ELEKTRIZITÄT und KORN und DETROIT vorkamen – die technischen und metallisch klingenden Wörter von der Erde.
    Und als die Städte vollendet und benannt waren, kamen die Friedhöfe an die Reihe und erhielten ebenfalls ihre Namen: Grüner Hügel, Moos-Stadt, Gesegneter Abschied, und die ersten Toten wurden begraben…
    Als jedoch alles sauber und an Ort und Stelle war, als die Sicherheit ein Höchstmaß erreicht hatte und die Städte gut eingerichtet und die Einsamkeit zurückgedämmt war, kamen die Anspruchsvollen von der Erde. Sie kamen, um Partys zu feiern oder Ferien zu machen, um Schmuck zu kaufen, Fotos zu schießen oder die ›Atmosphäre‹ zu genießen; sie kamen, um soziologische Gesetze zu studieren oder anzuwenden, sie brachten Sterne und Abzeichen und Regeln und Vorschriften, sie brachten etwas von dem Verwaltungsapparat mit sich, der die Erde wie ein unheimliches, fremdes Gewächs überwuchert hatte, und sie ließen es auch auf dem Mars wachsen, wo immer es Wurzeln schlagen wollte. Sie begannen das Leben und die Lektüre anderer Leute zu planen und zu beaufsichtigen, sie begannen Anweisungen zu erteilen und eben jene Menschen am Gängelband zu führen, die zum Mars gekommen waren, um nicht mehr kommandiert und bevormundet und herumgestoßen zu werden.
    Und so war es unvermeidlich, daß sich einige zu wehren begannen…

April 2005: Ascher II
     
    »›Einen geschlagenen Tag lang, starr, trüb, tonlos und tief im Herbste des Jahres, war ich allein, zu Pferde, unter dem bedrückend lastenden Wolkenhimmel, durch einen ungewöhnlich öden Strich Landes dahingeritten; und fand mich endlich, da die Schatten des Abends sich anschickten heraufzuziehen, angesichts des melancholischen Hauses Ascher…‹.«
    Mr. William Stendahl unterbrach sein Zitat. Vor ihm auf einem niedrigen schwarzen Hügel stand das Haus, und sein Grundstein trug die Inschrift 2005 n. Chr.
    Mr. Bigelow, der Architekt, sagte: »Es ist fertig. Hier ist der Schlüssel, Mr. Stendahl.«
    Wortlos standen die beiden Männer im stillen Herbstnachmittag. Bauzeichnungen raschelten im Gras zu ihren Füßen.
    »Das Haus von Ascher«, sagte Mr. Stendahl angenehm berührt. »Geplant, gebaut, gekauft, bezahlt. Oh, wie entzückt Mr. Poe davon wäre!«
    Mr. Bigelow kniff die Augen zusammen. »Ist alles nach Wunsch, Sir?«
    »Ja!«
    »Stimmen die Farben? Sind sie trostlos und schrecklich!«
    »Sehr trostlos und sehr schrecklich.«
    »Die Wände sind – kalt!«
    »Ja, in erstaunlichem Maße!«
    »Der See – ist er ›schwarz und unheimlich‹ genug?«
    »Überaus schwarz und unheimlich.«
    »Und das Riedgras – wir haben es gefärbt, müssen Sie wissen – ist es richtig grau und schwarz?«
    »Scheußlich!«
    Mr. Bigelow betrachtete seine Baupläne und las vor: »Erzeugt das ganze Gebäude ›ein eisiges Gefühl, ein bedrückendes Herzklopfen, eine Trübsal der Gedanken‹? Das Haus, der See, das Land, Mr. Stendahl?«
    »Mr. Bigelow, der Bau ist jeden Cent wert, den er kostet. Mein Gott, es ist alles wunderschön!«
    »Vielen Dank. Ich mußte immerhin ohne Vorkenntnisse arbeiten. Gott sei Dank hatten Sie Ihre eigenen Raketen zur Verfügung, sonst hätten wir die meisten Sachen nicht durchbekommen. Wie Sie bemerken, herrscht ein ständiges Zwielicht – das Land, in dem stets Oktober ist, öde, steril, tot. Hat uns ganz schön Arbeit gemacht. Wir mußten alles abtöten. Zehntausend Tonnen DDT. Keine Schlange, kein Frosch, keine marsianische Fliege ist mehr am Leben! Immer nur Zwielicht, Mr. Stendahl, darauf bin ich besonders stolz. Es gibt versteckte

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