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Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Bücher zerrissen und verbrannten. So wie Sie auch die Hexennacht vor Allerheiligen verboten und den Filmproduzenten sagten, daß sie sich an Ernest Hemingway halten müßten, wenn sie unbedingt etwas machen wollten. Himmel, wie oft ist Wem die Stunde schlägt eigentlich schon verfilmt worden! In dreißig verschiedenen Versionen hat’s das gegeben, und alle waren sie realistisch! O ja, der Realismus! Realismus über alles! Ich spucke drauf!«
    »Es hat keinen Sinn, daß Sie so verbittert sind.«
    »Mr. Garrett, Sie müssen doch einen umfassenden Bericht abfassen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Dann sollten Sie der Vollständigkeit halber auch mal hereinkommen und sich umsehen. Es dauert nur eine Minute.«
    »Gut, Gehen Sie voraus. Und versuchen Sie keine Tricks. Ich bin bewaffnet.«
    Die Tür zum Haus von Ascher öffnete sich quietschend. Ein feuchter Windhauch schlug ihnen entgegen. Ein gewaltiges Seufzen und Stöhnen war zu hören. Ein unterirdischer Atem in verlassenen Katakomben.
    Eine Ratte huschte über den Steinfußboden. Garrett schrie auf und versetzte ihr einen Tritt. Die Ratte fiel auf den Rücken, und aus ihrem Nylonpelz löste sich ein unglaublicher Schwarm metallischer Fliegen.
    »Erstaunlich!« Garrett bückte sich interessiert.
    In einer Nische saß eine alte Hexe und hielt ihre zitternden Hände über einen Satz orange und blau bedruckter Tarockkarten. Sie ließ ihren Kopf herumrucken, zischte Garrett aus zahnlosem Mund etwas zu und klopfte auf ihre speckigen Karten.
    »Tod!« rief sie.
    »Also, solche Dinge habe ich gemeint«, sagte Garrett.
    »Schrecklich.«
    »Sie dürfen sie später persönlich verbrennen.«
    »O wirklich?« Garrett war angenehm berührt. Dann runzelte er die Stirn. »Ich muß sagen, Sie tragen das alles mit bemerkenswerter Gelassenheit.«
    »Es war genug, dieses Haus überhaupt zu bauen. Und sagen zu können, daß ich’s geschafft habe. Sagen zu können, daß ich in einer modernen, zweifelnden Welt eine mittelalterliche Atmosphäre schaffen konnte.«
    »Ich kann mir nicht helfen, aber ich hege fast so etwas wie Bewunderung für Ihr Genie, Sir.« Garrett beobachtete eine Nebelwolke, die flüsternd vorüberschwebte und die Gestalt einer wunderschönen, durchsichtigen Frau angenommen hatte. In einem feuchten Korridor arbeitete eine Maschine. Wie Zuckerwatte entströmten ihr die Nebelschwaden und wallten murmelnd durch die stillen Flure.
    Ein Menschenaffe erschien aus dem Nichts.
    »Achtung!« rief Garrett.
    »Keine Angst!« Stendahl tätschelte dem Tier die schwarze Brust. »Ein Roboter. Kupferskelett und so weiter, wie bei der Hexe. Sehen Sie?« Er stülpte den Pelz zurück, und der Metallkörper wurde sichtbar.
    »Ja.« Garrett streckte furchtsam die Hand aus und streichelte das Ding. »Aber warum? Mr. Stendahl, warum das alles? Was hat Sie dazu getrieben?«
    »Die Bürokratie, Mr. Garrett. Aber ich habe leider keine Zeit zu weiteren Erklärungen. Die Regierung wird die Antwort sowieso schnell genug finden.« Er nickte dem Affen zu. »Also los!«
    Und der Affe tötete Mr. Garrett.
     
    »Sind wir bald soweit, Pikes?«
    Pikes blickte von der Tischplatte auf. »Jawohl, Sir.«
    »Ich muß Sie zu Ihrer Arbeit beglückwünschen.«
    »Dafür werde ich bezahlt, Mr. Stendahl«, sagte Pikes leise, lüpfte das Plastikkleid des Roboters und bettete das Glasauge in die Gummimuskeln. »Das wär’s.«
    »Das Ebenbild Mr. Garretts.«
    »Was machen wir mit ihm, Sir?« Pikes nickte zu der Bahre hinüber, auf der der echte Mr. Garrett ruhte – tot.
    »Wir werden ihn verbrennen, Pikes. Wir wollen doch nicht, daß zwei Mr. Garretts herumgeistern, nicht wahr?«
    Pikes rollte Mr. Garrett zum Verbrenner. »Leben Sie wohl.« Er stieß Mr. Garrett hinein und schlug die Tür zu.
    Stendahl wandte sich an den Roboter Garrett. »Du hast deine Befehle, Garrett?«
    »Jawohl, Sir.« Der Roboter richtete sich auf. »Ich soll zur Moralbehörde zurückkehren und einen ergänzenden Bericht anfertigen. Der Eingriff ist um mindestens achtundvierzig Stunden zu verzögern. Angeblich stelle ich noch weitere Ermittlungen an.«
    »Richtig, Garrett. Auf Wiedersehen.«
    Der Roboter eilte zu Garretts Rakete, stieg ein und flog davon.
    Stendahl wandte sich um. »Und jetzt, Pikes, versenden wir die restlichen Einladungen für heute abend. Wir werden uns herrlich amüsieren, meinen Sie nicht auch?«
    »In Anbetracht der Tatsache, daß wir zwanzig Jahre darauf warten mußten – ja!«
    Sieben Uhr. Stendahl sah auf die Uhr. Es war

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