Die Mars-Chroniken
leise. »Und nehmen Sie dies.«
»Was ist das?«
Sam schaute blinzelnd auf die silberblinkende Rolle, die ihm überreicht wurde. Schlangengestalten tanzten darüber hin.
»Das ist die Landübertragung für das ganze Gebiet von den Silberbergen bis zu den blauen Hügeln, vom toten Salzsee bis zu den fernen Mondstein- und Smaragd-Tälern«, sagte der marsianische Anführer.
»M-mir soll das alles gehören?« fragte Sam ungläubig.
»Ja.«
»Hunderttausend Quadratmeilen?«
»Ja.«
»Hast du das gehört, Elma?«
Elma saß mit geschlossenen Augen am Boden, den Rücken an die Blechhütte gelehnt.
»Aber warum, warum – warum geben Sie mir alles?« fragte Sam und versuchte in die metallenen Augenschlitze zu blicken.
»Das ist noch nicht alles. Hier.« Sechs weitere Urkunden kamen zum Vorschein. Die Namen wurden aufgerufen, die Gebiete bezeichnet.
»Aber, das ist ja der halbe Mars! Da gehört mir ja der halbe Mars!« Sam klirrte mit den Urkunden und hielt sie Elma hin, von Lachen geschüttelt. »Elma, hast du das gehört?«
»Ja, ich hab’s gehört«, sagte Elma gleichmütig und blickte zum Himmel auf.
Sie schien auf etwas zu warten. Sie begann unruhig zu werden.
»Vielen Dank, oh, ich danke Ihnen«, sagte Sam zu der bronzenen Maske.
»Heute nacht ist es soweit«, sagte die Maske. »Sie müssen bereit sein.«
»Das werde ich. Was ist es – eine Überraschung? Kommen die Raketen früher als erwartet? Die zehntausend Raketen mit den Siedlern und Bergleuten, mit den Arbeitern und ihren Frauen – alle hunderttausend? Wäre das nicht großartig, Elma? Ich hab’s dir ja gleich gesagt, Elma! Ich hab dir gesagt, die Stadt da drüben wird nicht immer nur tausend Einwohner haben. Fünftausend kommen dazu, hab ich gesagt, und im kommenden Monat noch einmal hunderttausend, und am Jahresende sind es fünf Millionen Menschen von der Erde. Und ich habe den einzigen Würstchenstand, noch dazu an der meistbefahrenen Straße zu den Bergwerken!«
Die Maske schwebte im Wind. »Wir lassen Sie jetzt allein. Bereiten Sie sich vor. Das Land gehört Ihnen.«
Wie Blütenblätter einer alten Blume, wie blaue Daunen, wie kobaltblaue Schmetterlinge, gewaltig und lautlos – so machten die alten Schiffe im Mondlicht kehrt und schwebten maskenglitzernd über den Sand davon, bis der letzte Schimmer, das letzte Fetzchen Blau zwischen den Hügeln verschwunden war.
»Elma, warum haben sie das getan? Warum haben sie mich nicht umgebracht? Kennen sie sich denn überhaupt aus? Sind die ganz richtig im Kopf?« Er schüttelte sie an der Schulter. »Der halbe Mars gehört mir!«
Sie beobachtete den nächtlichen Himmel, wartend.
»Komm«, sagte er. »Wir müssen alles vorbereiten. Wir müssen die Würstchen auftauen und die Brötchen anwärmen, den Paprika aufs Feuer setzen, die Zwiebeln schälen und schneiden, die Gewürze hinstellen, die Servietten in die Clips stecken – es muß blitzen bei uns! He!« Er vollführte einen kleinen hektischen Tanz und schlug die Hacken zusammen. »O Mann, was bin ich glücklich; wie glücklich ich bin!« sang er unmusikalisch. »Mein Glückstag ist heute!«
In aller Eile brachte er das Wasser zum Kochen und legte die Würstchen hinein, machte die Brötchen zurecht und schnitt die Zwiebeln.
»Überleg nur, der Marsianer hat von einer Überraschung gesprochen. Das kann nur eins bedeuten, Elma. Diese hunderttausend Leute treffen vorzeitig ein, heute abend schon, heute abend! Unser Laden wird gestürmt werden! Tagelang werden wir Überstunden machen müssen, bei all den Touristen die in der Gegend herumfahren, Elma. Denk an das Geld!«
Er ging hinaus und sah zum Himmel auf. Es war nichts zu sehen.
»Vielleicht in einer Minute schon«, sagte er und saugte dankbar die kühle Luft ein, hob die Arme und trommelte sich auf die Brust. »Ah!«
Elma schwieg. Sie schälte Kartoffeln und schnitzelte sie zu Pommes Frites zurecht. Sie hob immer wieder den Blick zum Himmel.
»Da«, sagte sie eine halbe Stunde später. »Dort steht sie. Schau.«
Er blickte auf und sah sie an.
»Die Erde.«
Wie ein geschliffener Edelstein, voll und grün, so stieg sie über den Hügeln auf.
»Die gute alte Erde«, flüsterte er gerührt. »Wunderbare alte Erde. Schick mir deine Hungrigen und Bedürftigen, Erde. Etwas, etwas – wie heißt das Gedicht? Schick mir deine Hungernden, alte Erde. Hier steht Sam Parkhill, und die Würstchen sind heiß, der Paprika kocht, alles ist blitzsauber. Komm, Erde, schick mir deine Raketen!«
Er
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