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Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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seine Brust zuckte. Er setzte sich auf einen Felsen, um wieder zu Atem zu kommen, dann legte er den Rest des Wegs im Laufschritt zurück.
    Er stand in der heißen Luft, die das Feuer der Raketenmotoren verbrannt hatte. Eine Luke öffnete sich. Ein Mann schaute heraus.
    Hathaway legte die Hand über die Augen und sagte: »Kapitän Wilder!«
    »Wer sind Sie?« fragte Kapitän Wilder, sprang herab und starrte dem alten Mann ins Gesicht. Er streckte die Hand aus – »Gütiger Himmel – Hathaway!«
    »Ja.« Sie sahen sich von oben bis unten an.
    »Hathaway, aus meiner alten Mannschaft – von der vierten Expedition.«
    »Das ist lange her, Kapitän.«
    »Zu lange. Mann, wie ich mich freue, Sie wiederzusehen!«
    »Ich bin alt geworden«, sagte Hathaway schlicht.
    »Auch ich bin nicht mehr jung. Zwanzig Jahre lang bin ich draußen auf Jupiter, Saturn und Neptun gewesen.«
    »Wie man hörte, wurden Sie hinausgeschickt, damit Sie hier auf dem Mars nicht die Kolonialpolitik stören konnten.« Der alte Mann sah sich um. »Sie sind so lange unterwegs gewesen, daß Sie natürlich nicht wissen, was geschehen ist…«
    Wilder sagte: »Es läßt sich erraten. Wir sind zweimal um den Mars gekreist. Dabei haben wir nur Sie hier und noch einen anderen Menschen gefunden, etwa zehntausend Meilen von hier – er heißt Walter Gripp. Wir wollten ihn mitnehmen, aber er hatte kein Interesse. Beim Start sahen wir ihn noch mitten auf der Landstraße in einem Schaukelstuhl sitzen und seine Pfeife rauchen; er winkte uns zu. Der Mars ist also ziemlich verlassen – auch keine Marsianer sind mehr am Leben. Wie steht es mit der Erde?«
    »Da weiß ich auch nicht mehr als Sie. Von Zeit zu Zeit kriege ich mal einen Radiosender zu hören, aber nur sehr schwach und in irgendwelchen fremden Sprachen. Leider kann ich als einzige Fremdsprache nur Latein und deshalb verstehe ich nur wenig von den Nachrichten. Danach ist der größte Teil der Welt ein Trümmerfeld, doch der Krieg geht weiter. Fliegen Sie dorthin zurück, Sir?«
    »Ja, wir sind natürlich neugierig. So weit draußen im All hatten wir keinen Radiokontakt mehr. Wir wollen die Erde sehen, was auch geschehen sein mag.«
    »Nehmen Sie uns mit?«
    Der Kapitän fuhr zusammen. »Natürlich, Ihre Frau, ich erinnere mich. Vor fünfundzwanzig Jahren, nicht wahr? Als die erste Stadt gegründet wurde und Sie aus dem Dienst ausschieden und sie heraufkommen ließen. Und da waren doch auch Kinder…«
    »Ein Sohn und zwei Töchter.«
    »Ja, ich erinnere mich. Und sie sind hier?«
    »Oben in der Hütte. Wir haben ein herrliches Frühstück für Sie bereitet, für Sie alle. Sie kommen doch?«
    »Ist uns eine Ehre, Mr. Hathaway.« Kapitän Wilder wandte sich zur Rakete um.
    »Alle Mann von Bord!«
     
    Sie gingen den Hügel hinauf, Hathaway und Kapitän Wilder, gefolgt von den zwanzig Mannschaftsmitgliedern, die die dünne, kühle Morgenluft in vollen Zügen genossen. Die Sonne ging auf, und es versprach ein schöner Tag zu werden.
    »Erinnern Sie sich an Spender, Kapitän?«
    »Ich habe ihn nie vergessen.«
    »Etwa einmal im Jahr komme ich an seinem Grab vorbei. Nun scheint sich sein Wunsch doch noch erfüllt zu haben. Er wollte nicht, daß wir den Mars besiedelten, und ist jetzt sicher glücklich und zufrieden, daß wir wieder abgezogen sind.«
    »Was ist aus – wie hieß er doch gleich? – Parkhill, Sam Parkhill, geworden?«
    »Er hat einen Würstchenstand aufgemacht.«
    »Das sieht ihm ähnlich.«
    »Und ist eine Woche darauf zur Erde zurückgeflogen.« Hathaway hob jäh die Hand an die Brust und lehnte sich schweratmend an einen Felsen. »Es tut mir leid. Die Aufregung. Das plötzliche Wiedersehen nach all den Jahren. Muß mich ausruhen.« Er spürte sein Herz bis zum Hals schlagen. Er zählte die Schläge. Es schlug sehr schnell.
    »Wir haben einen Arzt dabei«, sagte Wilder. »Entschuldigen Sie, Hathaway, ich weiß, daß Sie selbst Mediziner sind, aber wir sollten Sie trotzdem mal untersuchen.« Der Arzt wurde gerufen.
    »Es geht gleich wieder«, winkte Hathaway ab. »Das Warten, die Aufregung.« Er konnte kaum noch atmen. Seine Lippen waren blau. »Wissen Sie«, sagte er, als ihn der Arzt mit dem Stethoskop abhorchte, »es kommt mir vor, als hätte ich all die Jahre nur für diesen Tag gelebt, als war ich’s zufrieden, daß Sie gekommen sind und mich zur Erde zurückbringen, und könnte mich nun hinlegen und sterben.«
    »Hier.« Der Arzt reichte ihm eine gelbe Kapsel. »Sie sollten sich etwas

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