Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
Vom Netzwerk:
Ruhe gönnen.«
    »Unsinn. Lassen Sie mich nur einen Augenblick hier sitzen. Es tut gut, Sie alle hier zu haben, mal wieder neue Stimmen zu hören.«
    »Wirkt die Kapsel?«
    »Ausgezeichnet. Gehen wir weiter!«
    Und sie setzten ihren Weg fort.
     
    »Alice, sieh mal, wer da gekommen ist!«
    Hathaway runzelte die Stirn und beugte sich in die Hütte. »Alice, hast du gehört?«
    Seine Frau erschien. Gleich darauf kamen auch die beiden Töchter aus der Hütte, groß und anmutig, gefolgt von einem noch größeren Sohn.
    »Alice, du erinnerst dich doch sicher an Kapitän Wilder?«
    Sie zögerte und blickte Hathaway an, als warte sie auf Anweisungen, dann lächelte sie. »Aber natürlich – Kapitän Wilder!«
    »Ich erinnere mich noch genau. Wir haben am Abend vor meinem Start zum Jupiter noch zusammen gesessen, Mrs. Hathaway.«
    Sie schüttelte ihm kräftig die Hand. »Meine Töchter Marguerite und Susan. Mein Sohn John. Ihr erinnert euch doch an den Kapitän, ja?«
    Händeschütteln, Gelächter, lebhafte Unterhaltung.
    Kapitän Wilder schnüffelte. »Ist das etwa Honigkuchen!«
    »Möchten Sie eine Scheibe?«
    Alles geriet in Bewegung. Klapptische wurden aus dem Haus getragen, mit Tellern und Damastservietten gedeckt, das gute Silber aufgelegt und heiße Speisen herbeigeschleppt. Kapitän Wilder musterte Mrs. Hathaway und ihren Sohn und ihre beiden großen, umsichtig arbeitenden Töchter. Er betrachtete ihre Gesichter, als sie an ihm vorbeihuschten, und nahm jede Bewegung ihrer jugendlichen Hände und jeden Ausdruck ihrer faltenlosen Gesichter in sich auf. Er setzte sich auf den Stuhl, den ihm der Junge brachte, und fragte: »Wie alt sind Sie, John?«
    Der Sohn erwiderte: »Dreiundzwanzig.«
    Wilder rückte ungeschickt seine Bestecke zurecht. Er war bleich geworden. Sein Nachbar flüsterte: »Kapitän Wilder, das kann nicht stimmen.«
    Der Sohn entfernte sich, um weitere Stühle zu holen.
    »Was war das, Williamson?«
    »Ich bin jetzt dreiundvierzig, Kapitän, und vor zwanzig Jahren bin ich mit dem jungen John Hathaway, mit dem Mann da drüben, zur Schule gegangen. Er behauptet, nur dreiundzwanzig zu sein; er sieht auch nur wie dreiundzwanzig aus. Aber das stimmt nicht. Er müßte mindestens dreiundvierzig sein. Was bedeutet das alles, Sir?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sie sind ja ganz blaß, Sir.«
    »Mir ist nicht gut. Mit den Töchtern ist es nämlich das gleiche. Ich habe sie vor zwanzig Jahren kennengelernt, und sie haben sich überhaupt nicht verändert. Würden Sie mir einen Gefallen tun? Ich möchte, daß Sie einen kleinen Gang für mich erledigen, Williamson. Ich sage Ihnen, wohin Sie gehen und wonach Sie Ausschau halten müssen. Wenn wir mit dem Frühstück fast fertig sind, machen Sie sich davon. Mehr als zehn Minuten brauchen Sie bestimmt nicht. Die Stelle ist nicht weit von hier entfernt; ich habe sie bei der Landung von der Rakete aus gesehen.«
    »Na, was sollen denn die ernsten Gesichter?« Mit schnellen Bewegungen schöpfte Mrs. Hathaway Suppe in die Teller. »Lächeln Sie; wir sind alle endlich wieder beieinander, die Reise ist vorbei, und es ist fast schon wie zu Hause!«
    »Ja.« Kapitän Wilder lachte. »Sie sehen auch wirklich sehr gesund und jugendlich aus, Mrs. Hathaway!«
    »Sie Schmeichler!«
    Er sah zu, wie sie weiterging; ihr warmes rosa Gesicht war so glatt wie ein Apfel, faltenlos und sanft getönt. Nach jedem Scherz ließ sie ihr melodisches Lachen ertönen, teilte den Salat aus und gönnte sich keine Atempause. Und der hagere Sohn und die wohlgerundeten Töchter waren schlagfertig und fröhlich wie ihr Vater und erzählten von den langen Jahren und ihrem abgeschiedenen Leben, während der Vater jedem seiner Kinder stolz zunickte.
    Williamson eilte den Hügel hinab.
    »Wohin will der!« fragte Hathaway.
    »Er muß nach der Rakete sehen«, sagte Wilder. »Wie ich eben schon sagte, Hathaway, der Jupiter bietet nichts, absolut nichts für den Menschen. Das gilt ebenso für Saturn und Pluto.« Wilder redete mechanisch, ohne seine Worte zu hören, während er an Williamson dachte, der den Hügel hinablief und bald zurückkehren mußte mit dem Bericht über seinen Fund.
    »Danke.« Marguerite Hathaway füllte sein Wasserglas. Impulsiv berührte er ihren Arm. Sie schien die Geste gar nicht wahrzunehmen. Ihr Fleisch fühlte sich warm und weich an.
    Auf der anderen Seite des Tisches verstummte Hathaway von Zeit zu Zeit, fuhr sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Brust und lauschte dann wieder

Weitere Kostenlose Bücher